"Arme" Menschen fühlen sich aufgrund ihrer Armut oft minderwertig. Sie kommunizieren nicht verbal und spontan, oft ohne nachzudenken. Sie sind sensibel für Gefühle, Schönheit, Symbole. Pädagogische Hilfsmittel sind wenig sinnvoll. Es sind Worte und Gesten, die Verbindung schaffen und Verständnis eröffnen. Faszinierend ist: Was Arme über Gott sagen, führt auch andere zu einer Entdeckung einer Offenbarung Gottes.
Arme gehören zum Leib Christi. Wenn sie nicht gehört werden, nicht einbezogen werden, fehlt etwas.
Es ist absolut notwendig, auf jede/n Einzelne/n einzugehen. Und das wiederum braucht unbedingt eine Gemeinschaft. Eine Begegnung mit Armen ist ein spirituelles Experiment: Man muss sich vorbereiten, beten, organisieren, um fähig zu werden, Unerwartetes zu empfangen, und um dann diese Erfahrung nochmals zu reflektieren und zu verstehen. Dies hilft, auch persönlich spirituell voranzugehen.
Wichtig ist im Gespräch in einer Katechese mit Armen jeder Fragenkomplex um "Wie leben?" Sie werden oft konfrontiert mit Themen wie Gerechtigkeit, Friede, Versöhnung, Vergebung, Zusammenleben, Glück. Und sie sind daran interessiert, was die Kirche sagt, und zwar zu ihrer konkreten Situation.
Die Begegnung mit Gott in den Armen führt zu einer Verantwortung, sowohl theologisch als auch sozial: Wie gehen wir mit dieser Verantwortung um? Papst Franziskus mahnt uns, an die Ränder zu gehen, denn dort wird die Kirche gesund. Ratsam wäre es, in einer pastoralen Reflexion über Ereignisse nicht zu fragen "wie war es?", sondern "waren Arme da?" und "wie wurden sie einbezogen?".
Die Begegnung mit Armen führt oft zu einer unerwarteten Umkehr und Entdeckung Gottes. Das ist stets überraschend.
(Nach Anne-Marie Boulongue: « Animer une catéchèse en milieu populaire »)
Lernen, Gutes zu tun
Aus einer pädagogischen Sicht gibt es diesbezüglich drei Schritte: - seine Möglichkeiten und Fähigkeiten einschätzen, um etwas Gutes zu tun - immer besser entscheiden und unterscheiden können, was in einer konkreten Situation gut ist - seine Fähigkeiten, Gutes zu tun und Böses zu überwinden, einsetzen und steigern
Zunächst soll man sich zutrauen, Gutes tun zu können und dies auch praktizieren. Dies geschieht als Antwort auf den Ruf Gottes in der Nachfolge Jesu Christi. Dahinter steht eine Haltung der Liebe, denn Gott liebt jeden Menschen und aus Liebe befähigt er, diese Liebe weiterzugeben.
Gutes zu tun, braucht Übung, wenn es zu einer dauerhaften Haltung werden soll. Und es ist wichtig, sich der eigenen Sünde zu stellen, die eine Realität des menschlichen Lebens ist. Hier bedeutet Gutes zu tun, Versöhnung, Umkehr, Vergebung.
Um entscheiden zu können, was in einer konkreten Situation das Gute ist, braucht es den Verstand, braucht es Bildung, braucht es Empathie, braucht es Mitmenschen, die aufmerksam machen. Vor allem gehört eine wachsende Sensibilität im Hören auf das Wort Gottes in der Heiligen Schrift dazu. Ein Wachstum im Glauben soll sich in Korrelation mit der konkreten Lebensführung in dieser Welt von heute entwickeln.
Übung ist notwendig. Orientierung für das Gute geben Beispiele aus der Heiligen Schrift, die in jeder christlichen Gemeinschaft stets zu aktualisieren ist. Man darauf vertrauen: Gott wirkt in und durch Menschen, besonders wenn sich diese vom Heiligen Geist wandeln und führen lassen. Dazu sind alle Christen berufen. Quellen der Stärkung, Gutes zu tun, werden auch in der Liturgie eröffnet.
(Nach Catherine Fino, « Que signifie apprendre à faire du bien? »)
Beten lernen
Obwohl im jüdischen Volk das Gebet eine bedeutende und selbstverständliche Rolle gespielt hat, haben die Jünger Jesus gebeten: Lehre uns beten. Sie kommen mit dieser Bitte übrigens zu ihm, nachdem er selbst gebetet hatte (Lk 11,1-2). An anderer Stelle (Mt 6,5-9) warnt Jesus zunächst, sich im Gebet zur Schau zu stellen, bevor er die Jünger das Vaterunser lehrt.
Das Gebet ist Sprache. Das persönliche und gemeinschaftliche Gebet drückt sich in Worten aus. Aber es gibt Erfahrungen, die unaussprechlich sind. Es gibt Wirklichkeiten, die jenseits der Grenze sprachlicher Fassbarkeit liegen. Hier steht dem gesprochenen Wort im Gebet der Ritus zur Seite, der auch Unaussprechliches ausdrücken kann.
- Der Mensch betet mit dem ganzen Körper; alle Sinne sind angesprochen und einbezogen, wobei so manche Weiterentwicklung in der Liturgie diesbezüglich wünschenswert wäre. Beispiele: Schönes sehen, Bilder, Blumen, Kerzen, Kunstwerke; hören, in Stille, auf Musik oder auf ein Lied; der Duft von Weihrauch und Blumen; Bewegungen: gehen, sitzen, stehen, knien, tanzen, Gesten; Berührungen: eine Hand, einen Gegenstand; nur das Schmecken scheint etwas schwierig zu verwirklichen. - Der Intellekt (der Verstand) hat dennoch eine wichtige Rolle im Gebet, vor allem in der persönlichen Reflexion auf das, was geschehen ist und was ins Gebet gefasst werden soll bzw. zum Verstehen dessen, was in der Liturgie vollzogen wird. Beispielsweise ist es wertvoll, die klassische Struktur eines Gebetes zu kennen, damit dies das eigene Gebet befruchtet: Diese beginnt mit der Anrufung Gottes (anaklese), dem schließt sich eine Erinnerung an seine Taten an und das Vertrauen, dass er wieder wirken kann (anamnese). Es folgt der Anlass bzw. das Anliegen des Gebets, das vor Gott getragen wird (epiklese). Dabei wird Gott anvertraut, das zu wirken, was zum Guten wird. Abschließend folgt ein Lobpreis (doxologie) sowie das Amen (so sei es). - Im Gebet kommt der Mensch mit all seinen Emotionen und Gefühlen, ja mit der ganzen Palette dessen, was er in der Seele empfinden kann. Jedes Gefühl soll auch in der Liturgie entsprechend angesprochen werden. Ein Medium dazu sind Lieder. Sie schaffen Atmosphäre, sie bestärken ein Gefühl der Zugehörigkeit, sie nähren den Glauben, wenn sie entsprechend qualitätsvoll sind. - Zu unterscheiden ist das christliche Gebet vom so genannten traditionellen Gebet. Im traditionellen Gebet "gibt" der Mensch etwas an Gott (Opfer, Versprechen) und erwartet dann die Erfüllung seines Anliegens. Im christlichen Gebet hingegeben wird Gott als Gebender anerkannt, dem eine Antwort gebührt (Lob, Handeln). Dies geschieht im Vertrauen, dass er das Anliegen zum Besten führt. (Nach Arnaud Join-Lambert, « Que signifie apprendre à prier ? »
Dimensionen des Glaubens
Im Glauben verschränken sich immer vier Dimensionen miteinander: verkünden - beten - leben - feiern.
Es ist das Recht jedes Christen, das Wort Gottes vollständig, unverkürzt und in aller Klarheit zu empfangen (vgl. Catechese Tradendae 30). Das bedeutet, der Glaube soll ganzheitlich und organisch angeboten bzw. vermittelt werden. Das vollzieht sich in einem Beziehungsgeschehen: in der Beziehung zu Gott, zu Jesus Christus und zur christlichen Gemeinschaft. Dieses Beziehungsgeschehen soll immer mehr von Liebe geprägt sein (KKK 158).
Die vier Dimensionen - Bekenntnis des Glaubens, Liturgie, Lebensordnung gemäß dem Evangelium und Gebet - haben einen gemeinsamen Bezugspunkt: das christliche Mysterium, das im Ostergeheimnis fokussiert ist.
Auch jegliche Katechese bzw. jegliches Verkündigungsgeschehen soll organisch dem Ganzen des Glaubens dienen. Sie sensibilisiert für die Dynamik des Beziehungsgeschehens zwischen Gott und Mensch: Gnade und Dank bzw. Geschenk und Antwort. Deshalb soll jede Katechese kerygmatisch und mystagogisch sein, d.h. inhaltsbezogen und das Geheimnis aufschließend.
- Inhalt der Katechese ist Jesus Christus und die Beziehung zu ihm in und durch die Kirche. Es ist wichtig, diese Beziehung auch in Worte zu fassen. - Das Geschenk des Heils soll stets in Zusammenschau dieser vier Dimensionen erzählt und weitergegeben werden. Es genügt nicht, etwa die Bibel zu kennen, sondern das Wort Gottes soll auch gefeiert, gebetet und in Lebenspraxis umgesetzt werden. - Verantwortliche in der Verkündigung (Katecheten/Katechist/innen) leben den Glauben in all seinen Dimensionen. Sie sind gleichsam durchdrungen vom Evangelium, das durch sie den Menschen gebracht wird. (Zusammenfassung frei nach Enzo Biemmi « Un foi annoncé prié vecu celebré »)
Ein Dienstamt für die Verkündigung?
In mehreren Beiträgen dieses Colloquiums wurden Überlegungen bezüglich eines Dienstamtes für Katecheten/Katechist/innen angestellt, und zwar in ähnlicher Weise wie das Amt des Diakons.
Die Kirche kann Ämter und Dienste entsprechend den - pastoralen - Notwendigkeiten und gemäß theologischen Klärungen einführen. Zu beachten ist jedoch, dass eine Klerikalisierung von Laien nicht wünschenswert ist.
Dennoch: Was de facto im Auftrag der Kirche geschieht, soll de facto entsprechend gewürdigt und anerkannt werden.
In der Praxis gibt es weltweit große Unterschiede in den Aufgaben, in der Sendung, in der Berufung von Katecheten/Katechist/innen bzw. Personen, die in ähnlicher Weise kirchliche Aufgaben erfüllen, aber anders benannt werden (Pastoralassistent/innen, Religionslehrer/innen, Pfarrhelfer/innen). Gemeinsam ist ihnen, dass sie ein Geschenk Gottes erhalten haben, um dieses - freiwillig - weiterzugeben.
Das Wort "munus" beschreibt dies. Das Wort "communus" bzw. "communitas" steht in diesem Sinn für eine Gemeinschaft, die von einem gegenseitigen freiwilligen Empfangen und Geben lebt. Wenn man unter munus etwas versteht, zu dessen Weitergabe man aber verpflichtet ist, wird dies zu einem officium, also zu einem Amt.
(Dieser Gedankengang ist eine Reflexion an das Referat « La ministérialité des catéchètes d un continent à l autre » von Don Carmelo Torcivia.)
Die Pädagogik Gottes
Der Begriff der Pädagogik Gottes wird derzeit bei manchen kirchlichen Reflexionen wiederentdeckt. Er nimmt das Bild "Gott als Pädagoge" auf, der sein Volk "erzieht", d.h. er leitet es an, damit es "selbständig" im Leben stehen kann. Gott vollbringt dieses Erziehungswerk vor allem durch Menschen, aber auch durch Ereignisse. Die Bibel kann als "Erziehungsgeschichte zum Heil hin" gelesen werden, Propheten, Weisheitslehrer, Apostel, Patriarchen und vor allem die Offenbarung durch Jesus Christus sind zu diesem Erziehungswerk gesandt und berufen.
Am Anfang steht die Initiative Gottes. Er offenbart sich, er schenkt Gnade, er will das Glück des Menschen.
Nun geht es darum, dass der Mensch diesen Anruf Gottes wahrnimmt, erkennt und annimmt. (Das kann auf verschiedenen Ebenen geschehen: Staunen über die Schöpfung, Hören auf das Wort Gottes in der Bibel, Ergriffenheit über ein Kunstwerk, die Liebe anderer Menschen usw.) Und dann ist der Mensch berufen, zu antworten: durch Haltungen im Sinne Gottes, Umkehr, Versöhnung, durch ein Hineinwachsen in eine Gemeinschaft, die nach dem Willen Gottes zu leben versucht, durch praktisches Handeln im Sinn Gottes, durch Eintreten in eine lebendige Kommunikation mit Gott, die ja bereits Realität ist. Mit dieser Antwort verändert ein Mensch die Welt, verändert er die Kirche.
Die Erziehung Gottes ist ein Beziehungsgeschehen. Es geht um das Glück des Menschen, um seine Würde, um seine Berufung. Es geht um ein Wachstum in Liebe: quasi als oberstes Erziehungsziel.
Jede Wahrnehmung (auch der Liebe Gottes) erfolgt gemäß bestimmten Kriterien. Wesentlich ist dazu eine Haltung des Wahrnehmenden in Offenheit, Aufmerksamkeit, Fähigkeit zu empfangen, Lernbereitschaft und auch Demut.
Wenn wir von "Erziehung" sprechen, schwingen immer auch "Erziehungsvorstellungen" mit sowie Gedanken an Erziehungsziele, Erziehungsmittel u.a.m. Und hier mag sich Gott als Erzieher wesentlich von menschlichen Erziehungstheorien und -praktiken unterscheiden, die heute oder in der Vergangenheit existieren. Gott dressiert nicht, sondern er appelliert an die Freiheit des Menschen. Gehorsam heißt nicht Unterwerfung, sondern hören auf sein Wort und nach vertrauensvoller Zustimmung danach zu handeln, auch wenn dies gegen den Strich geht oder sehr herausfordernd ist.
Eine Pädagogik der Kirche nimmt die Pädagogik Gottes auf und folgt seinem Beispiel. Dabei nimmt sie Bezug auf die aktuelle Situation der Welt, der Gesellschaft, der Einzelnen. Sie vermittelt Gottes Gnade... Erziehung geht auf die "zu Erziehenden" ein, d.h. auf deren Situationen, Alter, Lebensfragen usw. Wesentlich ist eine Beziehung, die von Wohlwollen geprägt ist (amorevalezza), in die jede Erziehung eingebettet ist.
So ist auch die praktische Erziehungsaufgabe der "Kirche als pädagogische Hilfskraft Gottes" dazu da, den Menschen zu helfen, ganz selbst zu sein (être), zu wissen (savoir) um seine Berufung und um die Pläne Gottes und zu leben (savoir vivre) mit einer Orientierung zur Liebe hin.
(Anmerkungen und Überlegungen im Anschluss an das Referat « La pédagogie de Dieu » von Ugo Lorenzi).
Zur Ekklesiologie nachkonziliarer Synoden
Blitzlicher eines Symposiums
Was sich aus ekklesiologischer Sicht verwirklicht hat, war Thema eines Symposiums der Deutschen Fortschungsgemeinschaft, das vom 22. - 24. Mai 2014 in Vallendar stattgefunden hat.
Unter anderem wurde deutlich: - vieles wurde umgesetzt, vieles ist bis heute offen geblieben; - in allen deutschsprachigen Ländern gab und gibt es ähnliche Entwicklungen und dieselben Themen; - zu beobachten war, dass die jeweils eingesetzten Gremien ihre Funktion erfüllen konnten, wenn darin wichtige / gewichtige Einzelpersonen quasi zu inhaltlichen Leitfiguren wurden und durch das Gremium eben eine breite Unterstützung vorweisen konnten; - durch die Gremien erhielten Positionen mehr Gewicht.
"Die Bedeutung des Bischofsamtes"
aus dem Referat von Kardinal Karl Lehmann
Das bischöfliche Amt bedeutet Stellvertretung, Repräsentation Christi. Es verweist - wie jedes Amt - auf etwas Größeres und es versteht sich von etwas Größerem her. Das Bischofsamt ist christologisch zu begründen. Der Bischof ist Zeuge für Jesus Christus. Sein Amt bedeutet, dass er sich ganz in den Dienst Jesu Christi stellt. Er soll transparent sein für Jesus Christus. Er soll sein Lebensgeheimnis mitteilen und das bedeutet zugleich, sich selbst, die eigene Person dabei zurückzunehmen.
- "Apostolisch": Dabei geht es um eine zweifache Bedeutung. Einmal um einen Rückblick auf die Zeit Jesu und der Apostel. In dieser Zeit haben sich bleibende Normen entwickelt (z.B. der Kanon der Heiligen Schrift). Dem bleibt man verpflichtet. Und zum zweiten geht es um Gesandt-Sein (missionarisch), um den Auftrag, das Evangelium zu verkünden in der Gegenwart bis in die letzte Zukunft hinein. "Ihr werdet meine Zeugen sein" ist von universaler Bedeutung. Gleichzeitig braucht die Sendung in jeder neuen Zeit eine neue Sprache, eine neue Übersetzung, um verstanden zu werden.
"Zwischen Wirklichkeit und Vision - Beobachtungen"
aus dem Referat von Bernd Jochen Hilberath
1. Konzil und Synoden sind als Ereignisse zu sehen. Das 2. Vatikanum war für viele eine erste und sehr intensive Erfahrung von Weltkirche, einschließlich des Erlebens unterschiedlicher Riten. Das katholische Kirchenverständnis wurde ERLEBT. Durch die Sichtbarkeit der anwesenden Beobachter aus anderen christlichen Konfessionen wurde auch die Realität der getrennten Christenheit deutlich wahrgenommen. Dieses "Konzilsevent" hat auch den Ereignischarakter der nationalen Synoden geprägt.
2. Die doppelte Relationalität von Kirche Der zentrale Begriff für Kirche auf dem 2. Vatikanum war "Volk Gottes". Darin inbegriffen ist das Bewusstsein um das Heilshandeln Gottes (sein Mysterium), das er aus Gnade den Menschen bzw. durch die Erwählung von Menschen in sein Volk - schenkt. Deshalb weiß die Kirche, dass sie nicht aus sich selbst und nicht für sich selbst lebt. Sie muss sich selbst relativieren und empfängt und verwirklicht sich gerade darin: nämlich Zeichen und Werkzeug für das Handeln Gottes zu sein. Denn das Volk Gottes versteht sich nicht als "besser", sondern als Stellvertreter und zwar überall, wo es lebt, sei es in Regionen, mit christlicher Mehrheit oder in der Diaspora.
3. Das eine Volk Gottes Es ist ein Volk, das durch ein gemeinsames (commune) Priestertum geeint ist, denn jede/r ist berufen, sich als lebendige Opfergabe darzubringen. Es ist anzumerken, dass eine Rede vom allgemeinen und besonderen Priestertum vermieden werden sollte. Dann es stellt sich ein Problem, wenn ein und derselbe Begriff analog verwendet und dann missverständlich wird. Der Communio-Begriff wird erst ab 1985 rückwirkend zu einem zentralen Begriff für das, was das Konzil über die Kirche sagen wollte. Doch dieser und andere Begriffe sind stets in Gefahr, hierarchologisch missdeutet und missbraucht zu werden.
4. Konzentration auf die Gemeinde In den Vordergrund der nachkonziliaren Synoden rückt die Wahrnehmung der gemeinsamen Verantwortung aller für die Sendung der Kirche. Die Grundvoraussetzung dafür ist die persönliche Glaubensentscheidung. Betont wird die Unersetzbarkeit der Charismen und des Amtes, das auch dazu dient, die Einzelnen zu aktivieren (ihre Berufung zu entdecken). Und diese sollen dann auch ihren "Weltdienst" als "Heilsdienst" verstehen.
5. Ortsgemeinde - Ortskirche - Weltkirche Das darin liegende Spannungsverhältnis wird in den nachkonziliaren Synoden deutlich: Besonders im Blick auf das Verhältnis und das Zusammenspiel zwischen Autorität und sensus fidelium.
"Selbstorganisation und Zentralisierungsprozesse"
aus dem Referat von Wilhelm Damberg
1. Die Kirche hat sich im 19. Jahrhundert faktisch "nationalstaatlich" eingerichtet. Im allgemeinen gesellschaftlichen Trend lagen Standardisierungen, Normierungen und Zentralisierungen (im Recht, in der Technik, in der Verwaltung usw.). In der Kirche erfolgte auch eine Vereinheitlichung der Priesterausbildung. Bürgerrechte und politische Partizipation haben sich in den Nationalstaaten entwickelt, während die Kirche hier beim monarchistischen Modell blieb. Allerdings war dieses monarchistische Modell oft mehr eine idealisierte Idee denn Wirklichkeit. Es wurde zwar von Zentralismus gesprochen, de facto war er so nicht zu administrieren oder zu kommunizieren. Kirchliche Entwicklungen wuchsen deshalb nicht zentral bzw. top-down, sondern entstanden durch eine Vielfalt örtlicher Selbstorganisationen (die oft an den gleichen Themen arbeiteten). Sehr wohl waren sie verbunden im Bewusstsein ihrer Einheit mit Papst und Kirche. De facto gab es "die Kirche" nicht, sondern eine Vielfalt von Einrichtungen, Gruppierungen, Initiativen, Orden usw. Deshalb konnte "die Kirche" auch den Kulturkampf relativ gut überstehen, weil dieser sich zwar gegen die wahrnehmbare Kirchenleitung wenden konnte, nicht jedoch die Fülle unüberschaubar existierender, zersplitterter Gruppierungen bekämpfen konnte. Um 1900 wurde die Frage aktuell, wo eine klerikale Steuerung von Laien in ihrem gesellschaftlichen Handeln möglich oder am Ende ist. Und in diesem Spannungsfeld agierten dann christliche Gewerkschaften und Parteien usw.
2. Zwischen den Weltkriegen Es folgte eine Fortsetzung der Zentralisierungsprozesse bei gleichzeitiger Anerkennung der neuen staatlichen Wirklichkeiten. In diesem Zusammenhang sollten die Konkordate ermöglichen, dass möglichst viel vom Kirchenrecht auch im staatlichen Recht Bedeutung erlangen konnte. Konkordate sollten die Handlungsräume für Christen beschreiben. Zugleich dienten sie der Entpolitisierung des Christlichen (keine politischen Funktionen für Geistliche). In der Folge förderten die Päpste das Konzept der Katholischen Aktion. Der Klerus sollte sich aus der Politik heraushalten, sich aber gleichzeitig um die ethisch-religiöse Bildung der Laien bemühen. Dies wurde umgesetzt in allen Diözesen, für alle Stände durch die Gründung von sog. Komitees usw. Betont wurde die Teilhabe der Laien am Apostolat (dem entspricht der Begriff des "allgemeinen Priestertums"). Durch die Laien sollte der christliche Einfluss in die Gesellschaft hinein gestärkt werden. In der Katholischen Aktion standen die Laien unter der engen Führung des Klerus.
3. Deutschland nach dem 2. Weltkrieg Die Zentralisierung setzt sich fort. Die Bischöfe genossen hohes Ansehen. In der Verfolgungszeit konnte das religiöse Leben vor allem dort überleben, wo es unter dem Schutz des Bischofs gestanden hatte (Pfarre). Viele selbstorganisierte Gruppen hingegen waren ziemlich vernichtet worden. Gleichzeitig begann sich das System der Kirchensteuer auszuwirken. Die Diözesen hatten (plötzlich) Geld. Mit ihren finanziellen Ressourcen konnten sie pastorale Dienstleistungssysteme auf allen Ebenen und für alle Ebenen einrichten und kontinuierlich ausbauen. Die Kirchensteuer, die im Sinne eines sozialen Lastenausgleichs zwischen den Pfarren verwirklicht wurde, brachte auch die Bischöfe und die Diözesen in DIE führende Position für das katholische Leben. In dieser de facto-Zentralisierung bemüht man sich einerseits um Entlastung der kleineren Einheiten (Pfarren), die nicht alles bewältigen können, z.B. Bildungsarbeit, spezielle Seelsorge für bestimmte Gruppierungen usw. Gleichzeitig bemüht man sich von Seiten der Diözesen um Partizipationsstrukturen. Den Höhepunkt erreicht dies in der durch die Würzburger Synode. Gleichzeitig entwickeln sich Gegenströmungen, die diese Partizipationsstrukturen für zu aufwändig, fruchtlos, mühsam usw. halten. Dabei entstehen so unterschiedliche Gruppierungen wie Kirche von unten, geistliche Bewegungen, Basisgemeinschaften. Andere engagierte Gruppen agieren teilweise am Rand kirchlichen Lebens, etwa christliche Friedensbewegungen, Dritte Welt-Gruppen und ähnliche, manche davon wurden kirchlich eingebunden (institutionalisiert) und damit unterstützt, andere blieben weniger beachtet. De facto entwickelte sich das Bischofsamt immer mehr zu dem eines "obersten Chefs" von Priestern, Bistumsangestellten, Ordensleuten, die auf Bistumsebene agierten, usw. Es entwickeln sich immer höhere Ansprüche und Selbstansprüche an das Bischofsamt.
Nicht zu unterschätzen sind Entwicklungen aufgrund der Mediengesellschaft. Die Medien beobachten nicht nur, sondern re-definieren Religion in der Öffentlichkeit. Medien schreiben Kompetenzen zu entsprechend medialen Gesetzen. Unter dem Leitmotiv der medialen Personifizierung bestimmen die Medien, wer "im Namen der Kirche" Beachtung findet. Und dies geschieht aufgrund äußerer Wahrnehmung und nicht aufgrund inhaltlicher Kompetenz.
4. Weitere Entwicklungen In ganz Europa vollziehen sich ähnliche Entwicklungen: Die mittlere Ebene wird immer wichtiger, hier gibt es immer mehr Mitarbeiter, hierhin wandern Aufgaben, die sich aufgrund der Steigerung der gesellschaftlichen Komplexität auch vermehrt haben: für alles braucht es kompetente Personen , die man eben nicht überall an der Basis haben kann, aber die an einer mittleren oder höheren Ebene angesiedelt werden können. Und es entwickeln sich eigentlich mehrere mittlere Ebenen. Nur in Italien ist die Entwicklung anders. Hier bleibt es bei einer unüberschaubaren Fülle kleiner christlicher Gruppierungen.
"Synodalität und Partizipation"
zentrale These aus dem Referat von Matthias Sellmann
Die zentrale These lautet: Der deutsche (mitteleuropäische) Katholizismus stellt gegenwärtig spürbar und organisationswirksam um auf eine partizipativ erfahrbare Selbststeuerung christlicher Präsenz. Es scheint hierfür einen übergreifenden Kairos zu geben. Die offiziös erstrebte Kirchenentwicklung in zahlreichen Diözesen zielt auf ein Konzept lokaler Selbstorganisation, das durchlässig ist für die nächst höheren Ebenen und mit diesen im großen pastoralen Raum vital vernetzt wird. An einer Aktivierung und einer Nutzung des als grundlegend erkannten Glaubwürdigkeitskriteriums von Partizipation scheint kein nachhaltiger Weg der Kirchenentwicklung vorbei zu führen.