Es sind populistische Positionen zu beobachten, die auch in den Kirchen (in manchen kirchlichen Gruppierungen) anschlussfähig sind. Das betrifft etwa ein Engagement gegen Abtreibung, Abwertung von Homosexualität, Verunglimpfung der Gender-Debatte, Stellungnahmen gegen Feminismus, Förderung eines traditionell-konservativen Familien- und Rollenbildes.
Ein Unterschied: Populistische Strömungen sind homophob, xenophob, antipluralistisch, intolerant. (Wenn dies auf „Christen“ zutrifft, sind diese mehr populistisch als christlich geprägt.)
Das bedeutet: christliche Gruppen müssen sich abgrenzen.
Man will zwar mit allen im Gespräch bleiben, aber es ist damit zu rechnen, dass es grundsätzlich keinen gemeinsamen Nenner gibt, und dass man eher oberflächlich vereinnahmt wird.
Kirchliche Gruppierungen sollen Differenzen benennen ohne auf Hass einzugehen.
Kirche und Polarisierungen.
Aus dem Referat Gerd Pickel
Empirische Untersuchungen zeigen:
Kirchenzugehörigkeit besitzt weder eine immunisierende noch eine befördernde Wirkung auf Offenheit für Populismus.
Durch Wertebindung besteht aber Potential für eine verstärkte Polarisierung innerhalb der Kirchenmitglieder und Christen!
Religion ist ein Markierungsfaktor für Fremdidentifikation. „Islam“ dienst als Fokus für gruppenbezogene Ablehnung.
Stereotype und Zuschreibungsmöglichkeit über „Islam“ fördert Polarisierung zwischen Identitätsgruppen.
Populisten greifen auf die Distanz in der Bevölkerung zum „Islam“ zurück und verstärken diese aus wahltaktischen Gründen.
Christliche Kirchen könnten die Rolle eines Mittlers bzw. Moderators in Bezug auf das „Islambild“ einnehmen.
Anfragen der Mitglieder an Kirchen sind unterschiedlich.
Populistische Kommunikation.
Aus dem Referat Andreas Scheu
Populistische Kommunikation ist geschickt, raffiniert, mehrdeutig. Man hat für verschiedene Gruppen unterschiedliche Botschaften. Das Ziel bleibt immer die Verunglimpfung anderer und das Versprechen von Heil, das nur man selbst verwirklichen kann.
Populisten haben eigene Medien; kritische Medien werden diffamiert: Man will eine populistisch angepasste homogene Medienlandschaft.
Stilistische Elemente:
Narrativität: Man greift narrativ Konflikte aus und dramatisiert sie.
Negativität: Man weist auf Fehler hin, betont die momentane Krise, für die Andere verantwortlich sind, die nichts Gutes zustande bringen.
Personalisierung: Man benennt Schuldige.
Emotionalisierung: Man erzeugt Wut, Ärger – sowohl gegenüber einer Geschichte, als auch gegenüber denen, die dafür schuldig gemacht werden.
Vereinfachung: Man stellt die Probleme und Lösungsmöglichkeiten vereinfacht dar.
Strategie und Ziele:
Machtgewinn und Machterhalt
Einflussnahme
Verstärkung der eigenen Position
Legitimierung
Mobilisierung
Das Problem in Bezug auf Medien: Populistische Kommunikation entspricht journalistischen Auswahlkriterien und erhöht dann die Aufmerksamkeit und die Akzeptanzbereitschaft für Populisten und deren Ideologien.
Oft fehlen Unterscheidungsmerkmale zwischen einer allgemein medialisierten Politik heute und populistischen Positionen.
Was bedeutet Populismus?
Aus dem Referat Hans-Jürgen Puhle
Populisten berufen sich auf „das Volk“, auf eine „schweigende Mehrheit“, das von einer (politischen) „Elite“ nicht gehört oder berücksichtigt wird. Man begründet damit, einen „moralischen Anspruch“ zur Vertretung von Anliegen – auch im Stil einer „gerechten Empörung“.
Ja, es geht um einen Alleinvertretungsanspruch: Wir sind das Volk. Wir sind die Guten.
Alle anderen sind gegen das Volk, gegen deren (berechtigte) Anliegen. Alle anderen (politischen Mitbewerber) sind die Bösen bzw. sind so weit abgehoben, dass sie das Volk nicht vertreten und daher beseitigt werden müssten.
Populisten entscheiden, wer wirklich zum Volk gehört oder wer die Volksfeinde sind: nämlich alle Andersdenkenden bzw. alle, die „anders“ sind. (Wo dies mit Ethnie oder Nation verbunden wird, ist dies rassistisch.) Die Anderen werden ausgegrenzt.
Man spaltet die Gesellschaft: in Volk und Eliten, in Gute und Böse, in Schwarz und in Weiß. Man polarisiert. Man will die ausschließen, die sich nicht der eigenen Vorgangsweise unterordnen.
Anknüpfungspunkte für Populisten sind Ängste, egal ob diese begründet sind oder nicht. Man neigt zu Verschwörungstheorien. Man befördert eine Stimmung: Wenn es so weitergeht, geht alles den Bach hinunter. Nur wir erkennen das. Nur wir wollen das ändern. Nur wir sollten die Verantwortung für die weitere Entwicklung haben. – Man benennt Schuldige: alle, die anderer Meinung sind oder die Kritik an diesem Populismus üben: etablierte Parteien, Eliten, Kirchen, Medien usw.
Populisten sind anti-liberal, anti-pluralistisch, anti-demokratisch.
Zu unterscheiden ist Populismus als Ideologie (wie oben beschrieben) von populistischen Elementen, die sich auch anderswo in Stil, Rhetorik, gesellschaftlichen Mechanismen finden lassen.
Ein entscheidendes Kriterium ist: Wie geht man mit Minderheiten, mit Andersdenkenden, mit „Anderen“ um?
Zu unterscheiden ist auch Populismus dort, wo er sich gegen Totalitarismus und Diktatur formiert.
„Daran werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid: wenn ihr einander liebt.“ (Joh 13,35)
Evangelium:
Das Liebesgebot ( Joh 13,34-35, Joh 15,17)
Der Auftrag einander zu lieben, ist ein immer neues Gebot. Liebe muss oft mühsam errungen und sorgfältig gepflegt werden. Liebe fällt leicht, wenn sie mit Sympathie und guten gemeinsamen Erfahrungen verbunden ist. Sie fällt schwer in Konflikten und bei einer Antipathie, für die es manchmal keine Erklärung gibt. So kann Liebe in verschiedenen Situationen gegenüber jeweils anderen Mitmenschen Unterschiedlichstes bedeuten.
Gemeinsam ist der christlichen Liebe das Fundament Jesus Christus und die Orientierung an seinen Worten und Geboten. Das wunderbare Bild der Liebe ist nicht mit oberflächlicher Harmonie oder unverbindlicher Nettigkeit zu verwechseln. Denn im Ernstfall der christlichen Liebe geht es um den rückhaltlosen Einsatz füreinander über alle Differenzen hinweg. Die Kirche in Zeiten der Verfolgung bietet ein eindrucksvolles Bild dieser Solidarität, die zwischenmenschliche Antipathien (unter Christen) nie auslöschen, aber wirkungslos machen und überwinden kann. Demgegenüber macht sich eine in sich zerstrittene Kirche nur lächerlich. Das Auswälzen von Konflikten, das leichtfertige und lieblose Reden über andere, das Polarisieren und Fixieren auf irgendwelche Positionen, das Recht-Haben-Wollen, Taktik usw. widersprechen dem Liebesgebot. Menschen, die dies tun, sind nicht wirklich vertrauenswürdig, auch wenn sie unzählige Talente haben und diese in das Leben der Glaubensgemeinschaft einbringen. Das sich nach außen abzeichnende Bild einer Kirche der Reibereien entspricht leider einer inneren Wirklichkeit, die durch tägliche Umkehr zur Liebe verändert werden kann.
Diese Realität ist viel schlimmer, als es der Alltag erahnen lässt. Wo kleinliche Streitigkeiten den Eindruck in der Öffentlichkeit bestimmen, hat die Gemeinschaft der Gläubigen ihren Auftrag verraten. Sie hält sich nicht an Wort und Beispiel Jesu: Wie kann sie ihn da noch glaubwürdig verkünden? Keine Sachfrage kann es wert sein, das Liebesgebot auch nur ein einziges Mal hintanzustellen.
Vielleicht geht es gar nicht mehr um eine Verkündigung des Evangeliums, wenn die internen Konflikte so reizvoll sind, dass weder Zeit noch Kraft für ein Wirken nach außen vorhanden wäre. Ein Zeichen dafür ist der mangelnde missionarische Eifer, der aufgrund einer oberflächlichen positiven Bewertung der „Welt“ vorübergehend ein wenig eingeschlafen ist. Kraft und Eifer haben nur liebende Menschen, die um das Zeugnis der Liebe in allen Situationen des Lebens ringen können. Die Vertrauenswürdigkeit der Kirche hängt damit engstens zusammen. Denn wo nicht geliebt wird, kann kein Vertrauen gewonnen werden.
Im Stammbuch einer christlichen Konfliktkultur gehört dieser Satz ganz an den Anfang: „Daran werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid, wenn ihr einander liebt.“
Es geht in jeder Begegnung um Jesus selbst, denn seinem Beispiel der Liebe soll ein Jünger folgen. Wo er dies nicht tut, wird Jesus nicht geliebt, wird Jüngerschaft nicht realisiert. Was übrig bleibt, ist eine Glaubensabschreckung, weil es dem sogenannten Jünger de facto um vieles, aber nicht wirklich um das Evangelium geht. In dieser Stunde der Kirche unseres Landes kippt das herrliche und in dieser Weise wohl einzigartige Liebesgebot Christi im Sinn einer christlichen Konfliktkultur in eine ernste Warnung. Aber es bleibt zugleich ein Auftrag, der eine Veränderung bewirken kann, wie sie allein sinnvoll ist – in der Liebe.