„Wer Jesus Christus als seinen persönlichen Herrn nachfolgt, wird andere für eine leidenschaftliche Nachfolge entzünden.“ - Markus Wittal S. 53.
Muss jede Nachfolge leidenschaftlich sein?
Aus der Heiligen Schrift wissen wir, dass die Menschen der damaligen Zeit ihre Beziehung zu Jesus in unterschiedlicher Intensität gelebt haben. Eine Zusammenstellung dieser vielfältigen Beziehungsweisen findet sich in der Stichwort-Sammlung auf der Website pastoral.at (Stichwort: Jesus-Beziehungen – Texte)
Nicht alle fangen Feuer, steigen intensiv in die Nachfolge ein, gehen freudig und überzeugt auf andere zu. Ein leidenschaftlicher, „religionserhitzter“ Ton ist nicht der für alle passende.
Papst Franziskus mahnt in seiner Botschaft zum Welttag der sozialen Kommunikationsmittel 2014:
„Christliches Zeugnis gibt man nicht dadurch, dass man die Menschen mit religiösen Botschaften bombardiert, sondern durch den Willen, sich selbst den anderen zu schenke‚ durch die Bereitschaft, sich mit Geduld und Respekt auf ihre Fragen und Zweifel einzulassen, auf dem Weg der Suche nach der Wahrheit und dem Sinn der menschlichen Existenz.‘ (Benedikt XVI., Zum Welttag der Sozialen Kommunikationsmittel 2013).“
Nach dem Hinweis auf das Verhalten der Jünger in der Emmaus-Geschichte setzt Papst Franziskus fort: „Diese Herausforderung verlangt Tiefe, Aufmerksamkeit gegenüber dem Leben und geistliche Feinfühligkeit. Miteinander in Dialog treten heißt überzeugt sein, dass der andere etwas Gutes zu sagen hat, heißt seinem Gesichtspunkt, seinen Vorschlägen Raum geben. Miteinander in Dialog treten heißt nicht, auf die eigenen Vorstellungen und Traditionen zu verzichten, sondern auf den Anspruch, dass sie die einzigen und absolut seien.“
2
„Die Rückbesinnung auf das Evangelium macht locker: Kirche ist möglich ohne Konkordate, Fakultäten und Kathedralen,... Doch sie ist nicht möglich ohne das Feuer des Heiligen Geistes…“ –
Präambel, S. 18
Kann sich die Kirche im 21. Jahrhundert diese Geschichtsvergessenheit erlauben?
Eine kirchliche Verkündigung, die sich ihrer eigenen Geschichte nicht gewahr ist, wirkt freundlich, aber naiv. Die Kirchengeschichte mit ihren Lasten, – zu denen die Missionsgeschichte teilweise gehört oder die Missbrauchsfälle der jüngsten Zeit, um ein aktuelles Beispiel zu nennen, – und Stärken ist uns in der Verkündigung mitgegeben. Wir können sie nicht ablegen und unbedarft neu starten. Wenn wir in der Verkündigung das Feuer des Heiligen Geistes spüren können, ist es gut. Durch das „Feuer der Aufklärung“ muss aber jede gesellschaftlich belastbare kirchliche Verkündigung durch.
3
„Wir wollen, dass Mission Priorität Nummer eins wird.“ – Pater Karl Wallner OCist, S.69.
Braucht es nicht ein Zusammenspiel der vier Grundvollzüge?
Die Erfahrungen haben gezeigt, dass sich das Leben der Kirche auf verschiedene Weise vollzieht. Der bezeugte Glaube ist eine Weise des Vollzugs, der in der Liturgie gefeierte Glaube und der im diakonalen Handeln geteilte Glaube sind andere, aber ebenso bedeutsame Vollzüge. Ihre Ausgewogenheit und das Zusammenspiel haben sich bewährt.
4
„Wir danken allen Christen außerhalb der Katholischen Kirche, die heute schon mit Hingabe missionieren.“ – Johannes Hartl S. 149
Wie wird Ökumene verstanden?
Bei den Grundvollzügen oben habe ich als vierten den in der Gemeinschaft gelebten Glauben noch nicht angeführt. Gemeinschaft in der Kirche bedeutet, nicht nur diejenigen in den Blick zu nehmen und mit denen zu leben, die so ticken wie ich selbst. Sie schließt alle mit ein, die glaubend andere Schwerpunkte setzen, was oft die größere Herausforderung ist. Diese Herausforderung haben wir auch in der Ökumene. Nicht nur das missionarische Verhalten der evangelikalen Kirchen ist von Bedeutung. Die christliche Ökumene in ihrer Breite zeigt uns sehr differenzierte Wege, wie die Sendung gelebt werden kann.
5
Zu den Erstunterzeichnern gehören der österreichische, der deutsche und die beiden Schweizer Jugendbischöfe. Diese Orientierung an der Jugend beflügelt viele zu große Hoffnungen.
Wird diese Missionseuphorie den Belastungen eines erwachsenen Lebens und Glaubens standhalten?
Die Begeisterungsfähigkeit junger Menschen ist den meisten von uns aus der eigenen Lebensgeschichte bekannt. Die lobpreisend-charismatische Ausrichtung ist aber nicht nur in der Jugend relevant. Im Neuen Testament kommt es zu einer Demokratisierung des Geistempfangs. Alle Menschen bekommen durch den Glauben Anteil an der Erfahrung des Geistes, unabhängig von Geschlecht, Stand und Alter: so die Botschaft des Pfingstfestes.
In der Glaubensentwicklung ist es notwendig, dass eine „anfänglich emotional geprägte Geisterfahrung im Glaubensalltag in das Nichtfühlen hinein überschritten werden und Gott auch durch Nachterfahrungen hindurch in tieferer Weise erkannt werden sollte.“ (Heribert Mühlen, Von der Anfangserfahrung zum Alltag des Glaubens, in: Erneuerung in Kirche und Gesellschaft, Heft 8).
Reifen und Verankerung im Glauben entsteht im Zusammenwirken von Emotionalität und Körperlichkeit mit Verstand und Willen.
6
„Wir sprechen alle Menschen in unseren Ländern an und machen keinen Unterschied…“ – Maximilian Oettingen S. 123
Ist das ein realistischer Anspruch?
Aus der Milieuforschung, die auch für die Pastoral eine hilfreiche Lesebrille zur Verfügung stellt, wissen wir, wie groß oder klein jener Teil der Gesellschaft ist, der im traditionellen, konservativen oder etablierten Milieu zuhause ist. Zugänge zu den Milieus, denen in der Grundorientierung Werte wie Selbstverwirklichung und Multioptionalität wichtig sind oder die Interesse an neuen Synthesen haben, werden auch mit dem Mission Manifest nicht aufgetan.
Aus diesen Milieus kommen uns, wenn überhaupt, geistlich-spirituelle Ansprüche entgegen, die nicht mit missionarischem Impetus, sondern im Dialog zu Glaubenserfahrungen führen.
Nicht zuletzt möchte ich aus persönlicher Betroffenheit als Mutter von drei Jugendlichen eine für mich wichtige Frage formulieren: Ist es nicht eine besondere Aufgabe der Kirche, junge Menschen achtsam dabei zu begleiten, ihren Weg im Leben, ihre Berufung zu finden?
Bei aller Engagement-Bereitschaft dürfen wir junge Menschen in der Kirche nicht unbedacht als Jünger und Missionarinnen einspannen. Jesus hat recht gestandene Leute in seine Nachfolge gerufen.
Lucia Greiner, Seelsorgeamtsleiterin Erzdiözese Salzburg, 24. September 2018