Konfliktkultur: Eindeutigkeit - "Euer Ja sei ein Ja..."
„Euer Ja sei ein Ja, euer Nein ein Nein; alles andere stammt vom Bösen.“ (Mt 5,37)
Evangelium:
Euer Ja sei ein Ja, euer Nein ein Nein (Mt 5,37)
Für jeden ist offensichtlich, wie viele Konflikte aus einer Nichtbeachtung dieser Worte resultieren. Die Sprache ist eine Dimension des Mensch-Seins. Sie ist das erste und differenzierteste Medium der Verständigung. Sie kann nicht alles, aber sehr vieles fassen und vermitteln.
Der Umgang mit der Sprache ist für einen Menschen nicht nur ein Lebensbereich unter anderen, denn darin drückt sich ein Stück Persönlichkeit und Identität aus. Sprache schafft Atmosphäre, Verbindung und Gemeinsamkeit, aber auch Verwirrung, Distanz und Feindschaft. Man könnte sagen, der Mensch hat nicht nur Sprache, er ist Sprache. Wahrhaftigkeit, Zuverlässigkeit, Treue, jede zwischenmenschliche Dimension hat viel mit Sprache zu tun. Umso wesentlicher ist ihre Wahrhaftigkeit für das Gelingen jeglicher Beziehung und jeglicher Teilnahme am gesellschaftlichen Leben.
Wo die Sprache verwirrt wird, hört Verständigung und Zusammenhalt auf (vgl. Gen 11,7, Turmbau zu Babel). Die Lüge zerstört das Vertrauen und zerbricht die Basis der Verständigung. Rhetorische Floskeln schaffen eine Scheinwirklichkeit, die keine Substanz hat. Das ist jedem bewusst, dennoch wird Missbrauch mit der geforderten Wahrhaftigkeit der Sprache getrieben und dessen negative Folgen in Kauf genommen.
Es gibt ein Reden in unterschiedlichen Stufen der Zuverlässigkeit. Warum? Geschieht dies, weil vorschnell Dinge gesagt werden, die später zurückgenommen oder revidiert werden müssen? Werden Meinungen und Positionen rasch gewechselt? Spricht man in je anderen Milieus so angepasst, dass man seine Worte an unterschiedlichen Orten wegen eventueller Vorteile oder der Vermeidung von Nachteilen verändert bzw. verleugnet?
Dieses „Ja ist Ja und Nein ist Nein“ verlangt doch einiges, das nicht einfach ist. Vor dem Reden ist Nachdenken gefordert, damit man eine Überzeugung und einen Standpunkt einnehmen kann, der nicht auf momentaner Laune, einer Beeinflussung oder auf dem bloßen Augenschein beruht. Standfestigkeit ist nötig, um sich nicht wie ein Blatt im Wind der gerade gängigen Meinung anzupassen, die zu Vorherigem oder Nachfolgendem in Widerspruch steht. Aber ein Verschleiern der Sprache gilt nicht, ein „Vielleicht“, ein Anknüpfen an Bedingungen („wenn…“) ist im zwischenmenschlichen Bereich unangemessen.
Freilich gibt es Sachfragen, Verträge usw., die differenziert beurteilt und von mehreren Seiten betrachtet werden müssen, sodass es manchmal keine eindeutige Positionierung geben kann. Aber die nach reiflicher Überlegung gewonnene Überzeugung soll tragfähig sein.
Für eine christliche Konfliktkultur ist der Auftrag zur Wahrhaftigkeit und Eindeutigkeit evident. In konkreten Situationen muss man sich dazu manchmal erst durchringen. Eine Verdrehung der Worte wäre einfacher, konfliktvermeidender, politisch klüger, baut jedoch nichts auf. Nur die Zuverlässigkeit der Sprache und die Übereinstimmung von Reden und Handeln errichtet eine verlässliche Basis für das mitmenschliche Zusammensein. Die Menschen brauchen keine Instanzen, die es nach eigenem Ermessen mit der Wahrhaftigkeit nicht so genau nehmen. Sie brauchen Zeugen, die zu dem stehen, was sie sagen.