Konfliktkultur: Vergessene Vorsorge - Die Rückkehr der unreinen Geister
„...dann geht er und holt sieben andere Geister, die noch schlimmer sind als er selbst. Sie ziehen dort ein und lassen sich nieder. So wird es mit diesem Menschen am Ende schlimmer werden als vorher.“ (Lk 11,26)
Hurra! Jemand ist etwas Negatives losgeworden. Er hat eine störende Gewohnheit abgelegt, eine schlechte Eigenschaft überwunden, eine ungute Fixierung auf etwas fallengelassen (ein Hobby, eine falsche Priorität, eine schlechte Beziehung usw.). Oder eine Gemeinschaft ist jenen losgeworden, der sie blockiert und negativ beeinflusst hat…
Die Bibelstelle erzählt dann weiter, wie dieses negative Element quasi herumirrt und dann wieder an seinem früheren Wirkungsort Nachschau hält. Und hier hat sich nichts verändert, außer dass aufgeräumt und das Haus geschmückt wurde! Das heißt, der Besitzer des Hauses hat sich in der Zwischenzeit um Äußerlichkeiten gekümmert. Er hat nach dem Verschwinden des Negativen nichts an dessen Stelle gesetzt, nichts Neues angefangen, nichts Gutes entwickelt, keinen Gast eingeladen, sich nicht nach einer positiven Wertordnung orientiert usw. …
Oder: Die Gemeinschaft hat sich nicht weiterentwickelt. Sie ist stehengeblieben bei netten, aber unnötigen Dingen. So ist sie wieder angreifbar – und zwar an demselben Punkt wie zuvor. Geblieben ist ein Stück hübsch verzierte Leere, eine Unerfülltheit, die als Vakuum natürlich Platz zur Füllung bietet…
Das Aussehen des Hauses kann wie eine herzliche Einladung an den wirken, der gerade vorbeikommt. So scheint es der unreine Geist in dieser Erzählung aufzufassen. Denn er versteht den Schmuck als Aufforderung für eine spontane Willkommensparty, zu der er selbstverständlich seine Freunde gleicher Art mitbringt. Der Hausherr wird damit überrollt. Er leistet nicht den geringsten Widerstand. Seine Chance zur Abwehr hat er längst vertan. Eigentlich hat er nie etwas unternommen, um die Rückkehr des Negativen zu verhindern. Er fällt in seinen früheren Trott zurück, wird wieder von unschönen Neigungen, Gewohnheiten usw. beherrscht und zwar in noch größerem Maß als zuvor. Natürlich will er das nicht, aber seine Passivität in der Zeit, als er etwas hätte tun können, rächt sich. Mit der Schwäche seines Willens und mit seiner Antriebslosigkeit hat er sich in die Hände derer begeben, die nun ihr Spiel mit ihm treiben können.
Im Sinn einer christlichen Konfliktkultur ist diese Bibelstelle eine Warnung, am Punkt eines gelösten Konflikts stehenzubleiben. Es gilt, sofort Neues und Gutes substanziell an die Stelle der überwundenen Schwierigkeiten zu setzen! Selbst wenn nach überstandenen Auseinandersetzungen wenig Kraft bleiben sollte, muss die Zeit und die Chance sofort genützt werden. Kurz darauf könnte es zu spät sein, könnte man von vergangen Geglaubtem eingeholt werden.
Ähnliches gilt für eine Gemeinschaft. Wo sich diese nicht wirklich positiv weiterentwickelt, tauchen alte und neue Schäden in noch größerem Maß auf. Neue Strukturierungen, Reformen, Veränderungen usw. müssen tiefgehend sein. Bleiben sie an der Oberfläche, werden sie in Frustration und Nutzlosigkeiten umschlagen.
Wer einen Weg geistlichen Lebens beginnt, wird mit dieser Bibelstelle eindringlich gewarnt, bei den ersten sichtbaren Erfolgen einer Lebensorientierung nach dem Evangelium zu verweilen. Ohne nächsten Schritt, ohne eine Füllung des entstandenen Freiraums, auf welche Art auch immer, fällt man zurück. Die Enttäuschung darüber ist gefährlich, denn allzu leicht schiebt man die Schuld anderen zu: einem langweiligen Gottesdienst, einem dummen Wort eines kirchlich Engagierten, einer Nicht-Erfüllung eigener Vorstellungen in der Kirche usw. Aber zu den tieferen Fragen des Glaubens kommt es nicht mehr. Sie werden unter der entstandenen Irritierung verschüttet.
Bemühte und Enttäuschte, die einen Schritt einmal zu wenig konsequent gegangen sind, können de facto hinter die Anfänge ihrer Glaubensbeziehung zurückfallen und entfremdet werden. Das mag sich durch negative Früchte zeigen: Kritiksucht, Rechthaberei, Ungeduld, Absolutheitsanspruch für die eigene Meinung, Intoleranz, Unfähigkeit zum Zuhören, Desinteresse an der Feier Gottes und am Evangelium, tendenziöse Wahrnehmung von Ereignissen, Einseitigkeit, Flucht in äußere Fragen usw. Das hat Auswirkungen auf die ganze Gemeinschaft, d.h. auf alle, die gemeinsam unterlassen haben, sich weiterzuentwickeln und in die Tiefe zu gehen. Eine christliche Konfliktkultur muss die Notwendigkeit des nächsten Schrittes zum Wesentlichen vor Augen haben, damit Böses dauerhaft überwunden und Gutes stabil aufgebaut wird.