Welche Faktoren sind wichtig, damit ein Mensch zufrieden ist, damit er sich wohl fühlt?
Ausgangspunkt sind in diesem Beitrag die Fragen:
Welche Ressourcen hat ein Mensch? Welche Ressourcen gewinnt er, wenn er in ein soziales Netzwerk (Gemeinde, Gemeinschaft) Zugang findet? Und wie gelingt das?
Dabei geht es – nach Pierre Bourdieu – um ökonomische, kulturelle und soziale Ressourcen (= „Kapital“) sowie um deren Nutzung – nach Amartya Sen.
Ressourcen
Ökonomische Ressourcen:
Dazu gehören alle Formen materiellen Besitzes in dem Sinn, das dieses Eigentum in Geldwert berechnet werden kann. Dieses Kapital ist auch eine Voraussetzung um Zugang zu anderen Ressourcen zu finden, d.h. zu kulturellen Angeboten oder zur Teilnahme an sozialen Netzwerken.
Kulturelle Ressourcen:
Dazu gehört alles, das mit Bildung zu tun hat wie Erziehung, Wissen, Fähigkeiten, Haltungen, Sprachweisen. Dies bleibt immer von jenem sozialen Umfeld geprägt, in dem man dies angeeignet hat.
Soziale Ressourcen:
Das sind Kontakte, Beziehungen, Netzwerke, Zugehörigkeiten. In diese muss man freilich „investieren“, damit man einmal davon auch „profitieren“ kann. Eine Zugehörigkeit zu einer bestimmten Ethnie oder Religion, ein Verbundenheit durch gemeinsame Interessen helfen, soziales Kapital zu erschließen.
Verwirklichung ermöglicht Wohlbefinden
Verwirklichungschancen:
Ressourcen bieten Möglichkeiten. Entscheidend für ein Wohlbefinden bzw. eine Zufriedenheit, ist jedoch, inwieweit man diese tatsächlich anwenden kann; d.h. welche Handlungsspielräume man hat und nützen kann.
Damit können Menschen bei gleicher Ausgangslage von Ressourcen höchst unterschiedlich „zufrieden“ sein, und zwar je nachdem, inwieweit sie ihre grundsätzlichen Möglichkeiten in ihrem Sinn verwirklichen können.
Und es gibt individuelle Dispositionen, die hier wesentlich sind: Alter, Gesundheit, Herkunft, Bedürfnisse, persönliche Präferenzen usw.
Es sind die Handlungsspielräume und deren Nutzung, die über das Maß des Wohlbefindens entscheiden.
Denn es geht darum, die Ressourcen verwerten zu können. Dies ist sowohl von individuellen als auch von sozialen Umständen (gesellschaftlichen Rahmenbedingungen) abhängig. Die Verschiedenheit der Menschen bedingt daher, dass dieselben Rahmenbedingungen höchst unterschiedlich aufgefasst werden können. Die vorhandenen Handlungsspielräume steigern das Wohlbefinden nur, wenn diese vom einzelnen selbst als bereichernd empfunden werden.
Beispiel Migrantengemeinde
(Dies gilt im Folgenden für jedes soziale Netzwerk, in das jemand Zugang sucht und findet)
Individuelle Voraussetzungen:
Jemand muss in eine Gemeinschaft, Gruppe, Gesellschaft, in ein soziales Netzwerk hineinkommen wollen. Das braucht Sozialkompetenz, Kompromissbereitschaft und den Willen, in dieses Hineinkommen Zeit und Arbeit zu investieren.
Voraussetzungen der Community:
Hier braucht es eine Person, die quasi als „Türöffner“ auf Menschen zugeht, sie anspricht, sie einlädt, einweist und weiter vermittelt. Sodann braucht es ein Gemeinschaftsleben, an dem man sich beteiligen kann. Dieses wiederum benötigt Freiwillige, die sich dafür einsetzen.
Ersthilfe durch die Community
Die Community bietet in gewisser Weise einen „geschützten Raum“ – mglw. im Gegensatz zur Gesamtgesellschaft:
Eine verständliche Sprache und bekannte kulturelle Gegebenheiten stehen einer tw. unverständlichen Sprache und unverständlichen kulturellen Gepflogenheiten gegenüber.
In der Community findet man Anerkennung und man kann das mitgebrachte Kulturkapital verwenden; demgegenüber kann eine Gesamtgesellschaft mit diesem Kulturwissen oft nichts anfangen und man begegnet zudem Vorurteilen und Diskriminierungen.
Gewinne durch die Community:
Ökonomisch: Communitys sind organisiert und werden zumeist personell und finanziell unterstützt (etwa durch die Kirche, durch öffentliche Stellen, durch einzelne Wohltäter). Sie vermitteln Zugang zu Dienstleistungen und Angeboten innerhalb der Community.
Kulturell: Communitys haben (religiöse) Bildungsangebote und ermöglichen persönliches Engagement. Zudem vermittelt die kulturelle Vertrautheit ggf. eine Art Heimatgefühl und stäkrt das Selbstwertgefühl. Die Art und Weise der Religionsausübung, so wie man es gewohnt war (ist), spielt dafür eine große Rolle.
Sozial: Communitys ermöglichen Kontakte und man begegnet Persenen, die einem in verschiedensten Bereichen weiterhelfen.
Besonders die sozialen Gewinne können sich umfassend auswirken.
Ökonomisch: Man kann sich mit anderen vernetzen, persönliche Hilfe erfahren (und geben).
Sozial: Der Zugang zu einem sozialen Netz verhilft zu „überbrückenden“ sozialen Kontakten, d.h. man kann mit Menschen zumindest reden, auch wenn man erst später (hier oder anderswo) Freunde findet.
Kulturell: Durch andere erschließen sich migrationsrelevantes Wissen und interkulturelle Kompetenzen.
All dies zusammen führt zu psychosozialen Profiten, d.h. zu einem Art Geborgenheitsgefühl; man erfährt Wertschätzung, Schutz und emotionale Unterstützung; man beginnt, sich „sicher“ zu fühlen.
Die Erweiterung all dieser Ressourcen ermöglicht auch größere persönliche Handlungsspielräume, die genützt werden können. Und dies wiederum führt zu mehr Wohlbefinden / Zufriedenheit.
Quelle: nach Simon Foppa, Katholische Migrantengemeinden. Wie sie Ressourcen mobilisieren und Handlungsspielräume schaffe. Eine empirische Studie anhand zweier englischsprachiger Communitys (Edition SPI) St. Gallen 2015.