Es gibt viele Definitionen zur Person und zur Rolle des Katechisten/der Katechistin. Um seine Rolle und seinen Dienst in der Kirche besser zu verstehen, muss man diese im Prozess der Weitergabe des Glaubens in Betracht ziehen. Dazu gibt Dei Verbum gute Perspektiven, deren Bedeutung vor allem aus dogmatischer Sicht noch nicht genügend beachtet wird.
Dei Verbum betrachtet die Offenbarung Gottes und den Weg, wie dies an Gläubige weitergegeben wird, als Einheit. Es handelt sich um einen Akt der Weitergabe (trans-mission), die in einem komplexen Prozess das Handeln des Heiligen Geistes verwirklicht. Gott will, dass die Botschaft Jesu Christi an jede Generation weitergegeben wird. Dieser Dienst wurde zunächst von den Aposteln übernommen und wird seitdem durch die Jahrhunderte von der Kirche weitergetragen. Festzuhalten ist: Es ist der Wille Gottes, dass das Evangelium in seiner fundamentalen Einheit jedem Menschen zu jeder Zeit und an jedem Ort verkündet wird. Es ist Gott, der die Initiative ergreift. Niemand könnte von dies sich aus "machen", wenn nicht die vorhergehende Entscheidung Gottes, sich dem Menschen bekannt zu machen, grundgelegt wäre. Ebenso ist dies keine bloß menschliche Entscheidung oder eine kirchenpolitische Aktion. Die Weitergabe des Glaubens kommt aus der Offenbarung selbst. Und sie lässt sich von allen verstehen, egal aus welcher Kultur die Menschen stammen. Dafür ist die Universalität des Evangeliums entscheidend. Es ist imstande, jede Kultur in all ihren Ausdrucksformen zu berühren und umzuformen. Die Inkarnation Gottes ist in die Menschheit mit einer Tiefe eingetreten, die nur Gott selbst realisieren kann. Und dies ist uns anvertraut. Es ist Aufgabe der Kirche, diesem Wort treu zu bleiben, beständig darauf zu hören und es mit allen Menschen zu jeder Zeit zu teilen. Das Hören des Wortes Gottes ist nicht passiv, sondern aktiv. Es ist eine Frucht des Glaubens, der in Beziehung zu Gott bleibt. Dieses Wort war aber nie abstrakt, sondern eine Person. Es geht also nicht um Weisheiten aus einem Buch, sondern um ein lebendiges Wort, das zu jedem Menschen kommt. Deshalb steht auch jeder Katechist in einer lebendigen Gottesbeziehung, in der er sich engagiert, anderen zu begegnen.
Begegnung ist ein zentraler Begriff. Woraus besteht eine Begegnung? Zunächst ist es ein Akt, durch den jemand entscheidet, aus sich herauszugehen, um in eine Beziehung zu einem anderen Menschen einzutreten. Jede/r von uns ist die Frucht einer Begegnung und lebt in einer Serie fortgesetzter Begegnungen. Darin verwirklicht sich jeder selbst. Das Gegenteil wäre eine Hölle der Einsamkeit, ohne Möglichkeit zu lieben. Die Begegnung entstammt einer Sehnsucht nach Liebe und dem Willen, dem Alptraum der Einsamkeit zu entfliehen. Ein Katechist definiert sich daher durch sein Engagement für Begegnung. Es ist eine Begegnung, durch die Gott sich selbst einbringt und spricht. Daraus entstammt die Berufung, anderen zu begegnen und Zeugnis zu geben von dieser ersten Begegnung mit Gott, die am Anfang des Glaubens steht. Dies ist eine Begegnung, die paradigmatisch für den Katechisten bleibt, aber immer wieder neu zu vergegenwärtigen ist: im Sakrament, in der Übernahme von Verantwortung im Leben einer Gemeinschaft, durch die Sendung zu all jenen, die auf der Suche sind. Das Hören auf das Wort ist eine Begegnung, die die ganze Existenz trägt und fähig macht zu einer Weitergabe des Glaubens, in der sich die Beziehung zu Gott und zu anderen eröffnet.
Ein zweiter Gedanke Jeder Katechist soll sich bewusst sein, dass er eine ganz besondere Berufung erfahren hat und dass das Evangelium an alle gerichtet ist. Die Zielgruppe ist nicht nur die konkrete Gruppe, die einem anvertraut wurde, sondern die ganze Welt ist das Feld für die Verkündigung. Das heißt auch, dass der Katechist von Anfang in einem missionarischen Horizont tätig ist. Das Evangelium verlangt aus sich heraus, allen verkündet zu werden.
Ein dritter Gedanke Die Person Jesu Christi ist die Quelle der Wahrheit. Durch ihn findet der Mensch zur vollen Selbstverwirklichung. Das Evangelium, das durch Jesus offenbart wurde bezieht sich nicht auf dieses oder jenes Ereignis seines Lebens, sondern auf seine ganze Person. Das ganze Leben Jesu ist Offenbarung. Seine Worte und seine Handlungen können nicht voneinander getrennt werden. Und Jesus Christus selbst ist wesentlicher Inhalt jeder Verkündigung, jeder Katechese. Es ist wichtig, diese Einheit zu sehen zwischen Schrift und, denn die Heilige Schrift kann nicht getrennt werden vom Leben der christlichen Gemeinschaft, die von Anfang an dieses Wort gelebt hat und lebt und die es auf lebendige Art und Weise an die jeweils nachfolgende Generation weitergibt. In diesem Sinn ist die Kirche wirklich Christus, der in dieser Welt lebt, um das Heil allen zu verkünden. Damit ist aber auch die Begegnung mit Jesus Christus in und durch die Kirche für jeden Verkünder/in fundamental. Natürlich ist das Vorbild Jesu bereits für die Apostel wesentlich, für ihre Worte, ihr Beispiel, ihre Werke. Dadurch geben sie weiter, was sie empfangen haben. Alles baut auf den Worten und Taten Christi auf. Dazu ist aber notwendig, dass sie in ihm bleiben, auf ihn hören, ihm Fragen stellen, ihm zusehen wie er handelt, Erklärungen dafür verlangen. Das Leben mit Christus wird nie zur Routine, sondern ist immer wieder neu. Gemeinschaft mit ihm zu halten, ist das lebendige Mittel, um die Offenbarung besser kennen zu lernen und im Gemeinschaftsleben zu realisieren. Man könnte mit Dei Verbum sagen: Der unsichtbare Gott wendet sich in seiner überbordende Liebe an die Menschen und betrachtet sie als Freunde. Er begegnet ihnen, um sie einzuladen und sein eigenes Leben mit ihnen zu teilen, d.h. Gott selbst hat Sehnsucht, den Menschen nahe zu kommen und sein Leben mit unserem zu teilen. Das hat Konsequenzen für den Dienst der Katechistin/des Katechisten. Sie lebt in einer vertrauensvollen Beziehung mit Jesus. Sie ist seine Schülerin. Sie ist berufen, ihm zu folgen und Gemeinschaft mit den anderen Schülern zu halten. Die Apostel waren wie eine Familie (vgl. Lumen Gentium 19). Ein Katechist ist nicht allein, im Gegenteil. Er gehört einer Gemeinschaft an, die ihn unterstützt und in der er seinen Dienst an der Weitergabe des Glaubens ausübt. Sein Leben ist geprägt von Vertrautheit mit dem Herrn: auf sein Wort hören, beten, Zeugnis geben. Auf diese Art ist er in gewisser Weise ein "Experte Christi" und das ist nötig, damit sein Dienst effektiv und fruchtbar ist. Ohne dies wäre er nur einer, der Informationen verteilt, Kenntnisse vermittelt, und seine Verkündigung wäre eher eine Schulstunde, statt ein Teilen all dessen, was er aus der Begegnung mit Christus empfangen hat.
Worte und Taten gehören zusammen. Der Mensch von heute hört lieber auf Zeugen, nicht auf Lehrer, und wenn er auf Lehrer hört, dann weil sie Zeugen sind. (Evangelii nuntiandi) Die Mission des Katechisten ist es, Zeuge für die Taten Christi zu sein, d.h. in sein eigenes Leben das Handeln Christi einzuprägen, und dadurch fähig zu werden, allen zu begegnen, besonders jenen, die am meisten die Gegenwart Christi benötigen: Aus dem Mund des Katechisten kommt immer als erste Botschaft: Jesus Christus liebt dich. Er hat sein Leben gegeben, um dich zu retten, und jetzt lebt er jeden Tag an deiner Seite, um dich zu stärken, dich zu befreien. Dies ist die erste Botschaft der Verkündigung, weil sie die wichtigste ist, nicht weil sie chronologisch an erster Stelle stehen müsste. Sie ist es qualitativ. (Vgl. Evangelii Gaudium 164) In seinem Dienst erfährt der Katechist ein beständiges Wachstum. Auch ihre Katechese steht im Dienst des Wachstums des Volkes Gottes, um das Mysterium des Glaubens tiefer zu durchdringen. Das führt dazu, in immer tieferer Weise eine Antwort der Liebe zu geben auf all das, was geschieht, und gegenüber all jenen, denen man begegnet. Damit hängt zusammen, dass der Glaube wesentlich Liebe ist und aus Liebe weitergegeben wird - und nicht aus Vernunftgründen (obwohl auch der Glaube bzw. die Liebe Gründe sucht, und das zu Recht). Deshalb ist auch die Übung des Verstandes, das Studium und jede Ausbildung keine Nebensache, denn es geht immer um eine globale, integrale, ganzheitliche Bildung. Die Begegnung mit Christus, das Leben als sein Schüler, in der Sehnsucht, mit ihm zu sprechen, machen aus dem Katechisten einen Menschen im Dienst an der Verkündigung. Er weiß, dass es nichts Solideres, nichts Tieferes, nichts Sichereres, nichts Weiseres gibt als die Frohe Botschaft. Die ganze christliche Bildung ist eine Vertiefung der Verkündigung, die immer mehr und besser angenommen wird. Dies hilft, jedes Thema, das in der Katechese entfaltet wird, angemessen zu begreifen. Die zentrale Stellung des Kerygmas hat ihre eigene, besondere Charakteristik: Sie muss die erlösende Liebe Gottes zum Ausdruck bringen, die jeder moralischen und religiösen Sicht vorausgeht. Sie darf die Wahrheit nicht aufzwingen und muss an die Freiheit appellieren. Sie muss freudig anspornen und lebendig sein und eine harmonische Gesamtsicht bieten (vgl. Evangelii Gaudium 165). Die Offenbarung durch Jesus Christus ist eine heilende und heilswirksame Wahrheit. Sie ist nicht Frucht einer philosophischen Spekulation, sondern betrifft die Existenz der Person. Sie präsentiert sich als Antwort auf die Frage des Menschen nach Sinn. Diese Frage wird nicht nur in schwierigen Augenblicken gestellt, wenn etwa ein Scheitern zu einem Nachdenken und einer Neuorientierung zwingt. Die Frage nach dem Sinn bzw. der Sinn kann sich auch in frohen Ereignissen oder überhaupt im täglichen Leben zeigen. Die Frage nach dem Sinn betrifft das ganze Leben und nicht nur dieses oder jenes Ereignis. Tatsächlich wird jede/r von dieser Frage betroffen und stellt sie auf eine persönliche Art und Weise, entsprechend seinen Lebensumständen. Die Frage nach dem Sinn trägt in sich die Frage nach Liebe. Welchen Sinn hat es, zu lieben und geliebt zu werden? Der Mensch von heute verwechselt regelmäßig Liebe mit Leidenschaft und sieht, wie das scheitert, was er Liebe nennt. Aber das ist natürlich nicht alles. Jedenfalls ist die Suche nach Sinn untrennbar mit der Sehnsucht verbunden, zu lieben und geliebt zu werden. Hier vollzieht sich eine der größten Herausforde¬rungen für die Katechese, den Glauben als Vorschlag zu lieben weiterzugeben, in dem Sinn gefunden wird. Das ist genau die Wahrheit, die Jesus Christus offenbart hat und die er in Tod und Auferstehung gewährt. Wir dürfen uns deshalb nicht vom ihm entfernen, wenn wir unseren Zeitgenossinnen helfen wollen, den Sinn des Lebens zu finden. Der Katechist steht in diesem Spannungsfeld, das Herz der Menschen anzusprechen, um ihnen zu helfen, das Mysterium des Glaubens kennen zu lernen und sich selbst zugleich anbetend an den Herrn zu wenden. Also: In der Einheit mit Gott zu bleiben, seine Liebe zu erfahren, als Schüler Christi zu leben und Zeugin zu sein für seine Barmherzigkeit - und dies zu vermitteln. Die heilswirksame Wahrheit, die uns verkündet wird, befreit die Menschen von jeder Form der Versklavung, denen sie sich manchmal gern unterwerfen würden. Die Wahrheit Christi gibt dem Menschen sich selbst zurück, denn das Heil Christi bedeutet Gemeinschaft mit Gott, Versöhnung, Einbezogensein in das Leben der Dreifaltigkeit. Der Katechist dient dieser heilswirksamen Wahrheit, die zu einer tiefen und realen Freiheit führt. Der Glaube muss weitergegeben werden. Diese Weitergabe der Offenbarung vollzieht sich in einer ununterbrochenen Kette von Schüler/innen (Jünger/innen), die bis zu uns führt. Durch uns und unter uns ist Jesus Christus lebendig. Die Katechist/innen sind Teil dieses Überlieferungsprozesses und sie sind sich dessen bewusst. Damit ist aber eine performative (nicht suggestive) Sprache angemessen. Performativ bedeutet, dass die Worte eine Lebenserfahrung ausdrücken, die nicht distanziert reflektiert weitergegeben werden kann. Das Wort Gottes hat nicht nur einen lyrischen, erzählerischen Wert, sondern einen existentiellen. Wer Jesus Christus kommuniziert, ist eingebunden in sein Wort und kann es nicht einfach theoretisch wiedergeben, sondern wird Zeuge. In diesem Augenblick wird das Engagement der Katechistin fruchtbar. Allerdings können wir nicht entscheiden oder festhalten, ab welchem Zeitpunkt eine Katechese sichtbare Früchte trägt. Aber wir können dem Wort des Propheten vertrauen: Der Regen und der Schnee, die vom Himmel fallen, und nicht zurückkehren, ermöglichen die Fruchtbarkeit der Erde. Denn so wird das Wort, das aus Gottes Mund kommt, nicht zu ihm zurückkommen ohne Ergebnis, sondern es wird seine Mission erfüllen. (Vgl. Jes 55,10-11) Diese Dynamik ist dem Wort Gottes eigen und macht die Arbeit des Katechisten fruchtbar. Von uns wird nur verlangt, darauf zu vertrauen und auf Gottes Gnade zu bauen.
In diesem Sinn ist es gut, wenn der Katechist/die Katechistin auch die Stille Gottes ausdrücken kann. Man kann den Glauben, die Fruchtbarkeit einer Katechese nicht nur rational erfassen. Das Geheimnis Gottes ist größer. Damit braucht eine Kommunikation des Glaubens nochmals andere Wege, um etwa die Sehnsucht nach Spiritualität unserer Zeitgenossen zu stillen. Gemeinsam mit der Liturgie kann die Katechese auf diese oft verborgene Sehnsucht nach Gott eingehen. Dabei genügt es nicht, Inhalte kennen zu lernen, sondern es geht darum, eine Ahnung vom Reichtum des Geheimnisses Gottes zu gewinnen. In diesem Sinn gibt die Kirche durch ihre Lehre, ihr Leben, ihre Liturgie, den Glauben an jede Generation weiter. Die Katechistin/der Katechet dient dieser Weitergabe des Glaubens. Nicht mehr und nicht weniger. Dem lebendigen Christus in dieser Kirche zu begegnen, öffnet den Blick auf die Schönheit dieser Gemeinschaft, die dazu da ist, die Auferstehung als definitiven Sieg über den Tod zu verkünden, das Angesicht des Sohnes Gottes zu betrachten, um hier die Menschlichkeit in Reingestalt zu erkennen und Zukunft für jede/jeden Einzelnen zu erhoffen.
Quelle: Dieses Referat (hier in gekürzter Fassung) wurde beim Colloquium Les catéchètes dans la mission de l'Église. Ein internationales Colloquium in Zusammenarbeit des ISPC - Institut Supérieur de Pastorale Catéchétique und der Theologischen Fakultät der Universität Leuwen, 17.- 20. Februar 2015, in Paris gehalten.