Der Begriff der Pädagogik Gottes wird derzeit bei manchen kirchlichen Reflexionen wiederentdeckt. Er nimmt das Bild "Gott als Pädagoge" auf, der sein Volk "erzieht", d.h. er leitet es an, damit es "selbständig" im Leben stehen kann. Gott vollbringt dieses Erziehungswerk vor allem durch Menschen, aber auch durch Ereignisse. Die Bibel kann als "Erziehungsgeschichte zum Heil hin" gelesen werden, Propheten, Weisheitslehrer, Apostel, Patriarchen und vor allem die Offenbarung durch Jesus Christus sind zu diesem Erziehungswerk gesandt und berufen.
Am Anfang steht die Initiative Gottes. Er offenbart sich, er schenkt Gnade, er will das Glück des Menschen.
Nun geht es darum, dass der Mensch diesen Anruf Gottes wahrnimmt, erkennt und annimmt. (Das kann auf verschiedenen Ebenen geschehen: Staunen über die Schöpfung, Hören auf das Wort Gottes in der Bibel, Ergriffenheit über ein Kunstwerk, die Liebe anderer Menschen usw.) Und dann ist der Mensch berufen, zu antworten: durch Haltungen im Sinne Gottes, Umkehr, Versöhnung, durch ein Hineinwachsen in eine Gemeinschaft, die nach dem Willen Gottes zu leben versucht, durch praktisches Handeln im Sinn Gottes, durch Eintreten in eine lebendige Kommunikation mit Gott, die ja bereits Realität ist. Mit dieser Antwort verändert ein Mensch die Welt, verändert er die Kirche.
Die Erziehung Gottes ist ein Beziehungsgeschehen. Es geht um das Glück des Menschen, um seine Würde, um seine Berufung. Es geht um ein Wachstum in Liebe: quasi als oberstes Erziehungsziel.
Jede Wahrnehmung (auch der Liebe Gottes) erfolgt gemäß bestimmten Kriterien. Wesentlich ist dazu eine Haltung des Wahrnehmenden in Offenheit, Aufmerksamkeit, Fähigkeit zu empfangen, Lernbereitschaft und auch Demut.
Wenn wir von "Erziehung" sprechen, schwingen immer auch "Erziehungsvorstellungen" mit sowie Gedanken an Erziehungsziele, Erziehungsmittel u.a.m. Und hier mag sich Gott als Erzieher wesentlich von menschlichen Erziehungstheorien und -praktiken unterscheiden, die heute oder in der Vergangenheit existieren. Gott dressiert nicht, sondern er appelliert an die Freiheit des Menschen. Gehorsam heißt nicht Unterwerfung, sondern hören auf sein Wort und nach vertrauensvoller Zustimmung danach zu handeln, auch wenn dies gegen den Strich geht oder sehr herausfordernd ist.
Eine Pädagogik der Kirche nimmt die Pädagogik Gottes auf und folgt seinem Beispiel. Dabei nimmt sie Bezug auf die aktuelle Situation der Welt, der Gesellschaft, der Einzelnen. Sie vermittelt Gottes Gnade... Erziehung geht auf die "zu Erziehenden" ein, d.h. auf deren Situationen, Alter, Lebensfragen usw. Wesentlich ist eine Beziehung, die von Wohlwollen geprägt ist (amorevalezza), in die jede Erziehung eingebettet ist.
So ist auch die praktische Erziehungsaufgabe der "Kirche als pädagogische Hilfskraft Gottes" dazu da, den Menschen zu helfen, ganz selbst zu sein (être), zu wissen (savoir) um seine Berufung und um die Pläne Gottes und zu leben (savoir vivre) mit einer Orientierung zur Liebe hin.
(Anmerkungen und Überlegungen im Anschluss an das Referat « La pédagogie de Dieu » von Ugo Lorenzi).