Was sich aus ekklesiologischer Sicht verwirklicht hat, war Thema eines Symposiums der Deutschen Fortschungsgemeinschaft, das vom 22. - 24. Mai 2014 in Vallendar stattgefunden hat.
Unter anderem wurde deutlich: - vieles wurde umgesetzt, vieles ist bis heute offen geblieben; - in allen deutschsprachigen Ländern gab und gibt es ähnliche Entwicklungen und dieselben Themen; - zu beobachten war, dass die jeweils eingesetzten Gremien ihre Funktion erfüllen konnten, wenn darin wichtige / gewichtige Einzelpersonen quasi zu inhaltlichen Leitfiguren wurden und durch das Gremium eben eine breite Unterstützung vorweisen konnten; - durch die Gremien erhielten Positionen mehr Gewicht.
"Die Bedeutung des Bischofsamtes"
aus dem Referat von Kardinal Karl Lehmann
Das bischöfliche Amt bedeutet Stellvertretung, Repräsentation Christi. Es verweist - wie jedes Amt - auf etwas Größeres und es versteht sich von etwas Größerem her. Das Bischofsamt ist christologisch zu begründen. Der Bischof ist Zeuge für Jesus Christus. Sein Amt bedeutet, dass er sich ganz in den Dienst Jesu Christi stellt. Er soll transparent sein für Jesus Christus. Er soll sein Lebensgeheimnis mitteilen und das bedeutet zugleich, sich selbst, die eigene Person dabei zurückzunehmen.
- "Apostolisch": Dabei geht es um eine zweifache Bedeutung. Einmal um einen Rückblick auf die Zeit Jesu und der Apostel. In dieser Zeit haben sich bleibende Normen entwickelt (z.B. der Kanon der Heiligen Schrift). Dem bleibt man verpflichtet. Und zum zweiten geht es um Gesandt-Sein (missionarisch), um den Auftrag, das Evangelium zu verkünden in der Gegenwart bis in die letzte Zukunft hinein. "Ihr werdet meine Zeugen sein" ist von universaler Bedeutung. Gleichzeitig braucht die Sendung in jeder neuen Zeit eine neue Sprache, eine neue Übersetzung, um verstanden zu werden.
"Zwischen Wirklichkeit und Vision - Beobachtungen"
aus dem Referat von Bernd Jochen Hilberath
1. Konzil und Synoden sind als Ereignisse zu sehen. Das 2. Vatikanum war für viele eine erste und sehr intensive Erfahrung von Weltkirche, einschließlich des Erlebens unterschiedlicher Riten. Das katholische Kirchenverständnis wurde ERLEBT. Durch die Sichtbarkeit der anwesenden Beobachter aus anderen christlichen Konfessionen wurde auch die Realität der getrennten Christenheit deutlich wahrgenommen. Dieses "Konzilsevent" hat auch den Ereignischarakter der nationalen Synoden geprägt.
2. Die doppelte Relationalität von Kirche Der zentrale Begriff für Kirche auf dem 2. Vatikanum war "Volk Gottes". Darin inbegriffen ist das Bewusstsein um das Heilshandeln Gottes (sein Mysterium), das er aus Gnade den Menschen bzw. durch die Erwählung von Menschen in sein Volk - schenkt. Deshalb weiß die Kirche, dass sie nicht aus sich selbst und nicht für sich selbst lebt. Sie muss sich selbst relativieren und empfängt und verwirklicht sich gerade darin: nämlich Zeichen und Werkzeug für das Handeln Gottes zu sein. Denn das Volk Gottes versteht sich nicht als "besser", sondern als Stellvertreter und zwar überall, wo es lebt, sei es in Regionen, mit christlicher Mehrheit oder in der Diaspora.
3. Das eine Volk Gottes Es ist ein Volk, das durch ein gemeinsames (commune) Priestertum geeint ist, denn jede/r ist berufen, sich als lebendige Opfergabe darzubringen. Es ist anzumerken, dass eine Rede vom allgemeinen und besonderen Priestertum vermieden werden sollte. Dann es stellt sich ein Problem, wenn ein und derselbe Begriff analog verwendet und dann missverständlich wird. Der Communio-Begriff wird erst ab 1985 rückwirkend zu einem zentralen Begriff für das, was das Konzil über die Kirche sagen wollte. Doch dieser und andere Begriffe sind stets in Gefahr, hierarchologisch missdeutet und missbraucht zu werden.
4. Konzentration auf die Gemeinde In den Vordergrund der nachkonziliaren Synoden rückt die Wahrnehmung der gemeinsamen Verantwortung aller für die Sendung der Kirche. Die Grundvoraussetzung dafür ist die persönliche Glaubensentscheidung. Betont wird die Unersetzbarkeit der Charismen und des Amtes, das auch dazu dient, die Einzelnen zu aktivieren (ihre Berufung zu entdecken). Und diese sollen dann auch ihren "Weltdienst" als "Heilsdienst" verstehen.
5. Ortsgemeinde - Ortskirche - Weltkirche Das darin liegende Spannungsverhältnis wird in den nachkonziliaren Synoden deutlich: Besonders im Blick auf das Verhältnis und das Zusammenspiel zwischen Autorität und sensus fidelium.
"Selbstorganisation und Zentralisierungsprozesse"
aus dem Referat von Wilhelm Damberg
1. Die Kirche hat sich im 19. Jahrhundert faktisch "nationalstaatlich" eingerichtet. Im allgemeinen gesellschaftlichen Trend lagen Standardisierungen, Normierungen und Zentralisierungen (im Recht, in der Technik, in der Verwaltung usw.). In der Kirche erfolgte auch eine Vereinheitlichung der Priesterausbildung. Bürgerrechte und politische Partizipation haben sich in den Nationalstaaten entwickelt, während die Kirche hier beim monarchistischen Modell blieb. Allerdings war dieses monarchistische Modell oft mehr eine idealisierte Idee denn Wirklichkeit. Es wurde zwar von Zentralismus gesprochen, de facto war er so nicht zu administrieren oder zu kommunizieren. Kirchliche Entwicklungen wuchsen deshalb nicht zentral bzw. top-down, sondern entstanden durch eine Vielfalt örtlicher Selbstorganisationen (die oft an den gleichen Themen arbeiteten). Sehr wohl waren sie verbunden im Bewusstsein ihrer Einheit mit Papst und Kirche. De facto gab es "die Kirche" nicht, sondern eine Vielfalt von Einrichtungen, Gruppierungen, Initiativen, Orden usw. Deshalb konnte "die Kirche" auch den Kulturkampf relativ gut überstehen, weil dieser sich zwar gegen die wahrnehmbare Kirchenleitung wenden konnte, nicht jedoch die Fülle unüberschaubar existierender, zersplitterter Gruppierungen bekämpfen konnte. Um 1900 wurde die Frage aktuell, wo eine klerikale Steuerung von Laien in ihrem gesellschaftlichen Handeln möglich oder am Ende ist. Und in diesem Spannungsfeld agierten dann christliche Gewerkschaften und Parteien usw.
2. Zwischen den Weltkriegen Es folgte eine Fortsetzung der Zentralisierungsprozesse bei gleichzeitiger Anerkennung der neuen staatlichen Wirklichkeiten. In diesem Zusammenhang sollten die Konkordate ermöglichen, dass möglichst viel vom Kirchenrecht auch im staatlichen Recht Bedeutung erlangen konnte. Konkordate sollten die Handlungsräume für Christen beschreiben. Zugleich dienten sie der Entpolitisierung des Christlichen (keine politischen Funktionen für Geistliche). In der Folge förderten die Päpste das Konzept der Katholischen Aktion. Der Klerus sollte sich aus der Politik heraushalten, sich aber gleichzeitig um die ethisch-religiöse Bildung der Laien bemühen. Dies wurde umgesetzt in allen Diözesen, für alle Stände durch die Gründung von sog. Komitees usw. Betont wurde die Teilhabe der Laien am Apostolat (dem entspricht der Begriff des "allgemeinen Priestertums"). Durch die Laien sollte der christliche Einfluss in die Gesellschaft hinein gestärkt werden. In der Katholischen Aktion standen die Laien unter der engen Führung des Klerus.
3. Deutschland nach dem 2. Weltkrieg Die Zentralisierung setzt sich fort. Die Bischöfe genossen hohes Ansehen. In der Verfolgungszeit konnte das religiöse Leben vor allem dort überleben, wo es unter dem Schutz des Bischofs gestanden hatte (Pfarre). Viele selbstorganisierte Gruppen hingegen waren ziemlich vernichtet worden. Gleichzeitig begann sich das System der Kirchensteuer auszuwirken. Die Diözesen hatten (plötzlich) Geld. Mit ihren finanziellen Ressourcen konnten sie pastorale Dienstleistungssysteme auf allen Ebenen und für alle Ebenen einrichten und kontinuierlich ausbauen. Die Kirchensteuer, die im Sinne eines sozialen Lastenausgleichs zwischen den Pfarren verwirklicht wurde, brachte auch die Bischöfe und die Diözesen in DIE führende Position für das katholische Leben. In dieser de facto-Zentralisierung bemüht man sich einerseits um Entlastung der kleineren Einheiten (Pfarren), die nicht alles bewältigen können, z.B. Bildungsarbeit, spezielle Seelsorge für bestimmte Gruppierungen usw. Gleichzeitig bemüht man sich von Seiten der Diözesen um Partizipationsstrukturen. Den Höhepunkt erreicht dies in der durch die Würzburger Synode. Gleichzeitig entwickeln sich Gegenströmungen, die diese Partizipationsstrukturen für zu aufwändig, fruchtlos, mühsam usw. halten. Dabei entstehen so unterschiedliche Gruppierungen wie Kirche von unten, geistliche Bewegungen, Basisgemeinschaften. Andere engagierte Gruppen agieren teilweise am Rand kirchlichen Lebens, etwa christliche Friedensbewegungen, Dritte Welt-Gruppen und ähnliche, manche davon wurden kirchlich eingebunden (institutionalisiert) und damit unterstützt, andere blieben weniger beachtet. De facto entwickelte sich das Bischofsamt immer mehr zu dem eines "obersten Chefs" von Priestern, Bistumsangestellten, Ordensleuten, die auf Bistumsebene agierten, usw. Es entwickeln sich immer höhere Ansprüche und Selbstansprüche an das Bischofsamt.
Nicht zu unterschätzen sind Entwicklungen aufgrund der Mediengesellschaft. Die Medien beobachten nicht nur, sondern re-definieren Religion in der Öffentlichkeit. Medien schreiben Kompetenzen zu entsprechend medialen Gesetzen. Unter dem Leitmotiv der medialen Personifizierung bestimmen die Medien, wer "im Namen der Kirche" Beachtung findet. Und dies geschieht aufgrund äußerer Wahrnehmung und nicht aufgrund inhaltlicher Kompetenz.
4. Weitere Entwicklungen In ganz Europa vollziehen sich ähnliche Entwicklungen: Die mittlere Ebene wird immer wichtiger, hier gibt es immer mehr Mitarbeiter, hierhin wandern Aufgaben, die sich aufgrund der Steigerung der gesellschaftlichen Komplexität auch vermehrt haben: für alles braucht es kompetente Personen , die man eben nicht überall an der Basis haben kann, aber die an einer mittleren oder höheren Ebene angesiedelt werden können. Und es entwickeln sich eigentlich mehrere mittlere Ebenen. Nur in Italien ist die Entwicklung anders. Hier bleibt es bei einer unüberschaubaren Fülle kleiner christlicher Gruppierungen.
"Synodalität und Partizipation"
zentrale These aus dem Referat von Matthias Sellmann
Die zentrale These lautet: Der deutsche (mitteleuropäische) Katholizismus stellt gegenwärtig spürbar und organisationswirksam um auf eine partizipativ erfahrbare Selbststeuerung christlicher Präsenz. Es scheint hierfür einen übergreifenden Kairos zu geben. Die offiziös erstrebte Kirchenentwicklung in zahlreichen Diözesen zielt auf ein Konzept lokaler Selbstorganisation, das durchlässig ist für die nächst höheren Ebenen und mit diesen im großen pastoralen Raum vital vernetzt wird. An einer Aktivierung und einer Nutzung des als grundlegend erkannten Glaubwürdigkeitskriteriums von Partizipation scheint kein nachhaltiger Weg der Kirchenentwicklung vorbei zu führen.