Ursachen/Definition
Viele Individuen haben sich geformt, indem sie versuchen, anderen zu gefallen. Der Mensch entfernt sich dabei von sich selbst.
Ziel dieser Menschen sollte sein, im Erwachsenenalter eine "Tendenz zur Selbstbestimmung" zu entwickeln. Dies bedeutet, verantwortungsvoll bestimmen, was man möchte, und dann die Konsequenzen des eigenen Handelns zu tragen.
Das heißt aber auch, die Erfahrungen, die dabei gemacht wurden, anzunehmen.
"Lernen Sie Nein sagen", "Lernen Sie sich abgrenzen", das ist eine wichtige Botschaft in der Burnout Literatur.
"Die Angst vor dem Nein ist letztendlich die Angst vor der Ich-Werdung und damit die Angst vor der Einsamkeit. Das Ja verbindet uns miteinander, das Nein trennt uns." Dem Nein sind aber ebenso wie dem Ja Grenzen gesetzt, dann nämlich, wenn Menschen zu Schaden kommen.
Ja und Nein bedingen einander, nur zusammen bilden sie eine Einheit. Zusammen ergeben sie eine Polarität. In jedem Ja steckt ein Nein, und in jedem Nein steckt ein Ja. An einem Beispiel erklärt, bedeutet es: Sage ich Ja zu einer Ehe, so sage ich gleichzeitig Nein zum Single-Dasein oder sage ich Nein zu Überstunden, so sage ich Ja zu mehr Zeit für andere Interessen. (Besonders Frauen haben mühsam erlernen müssen, diese Grenzen zu setzen.)
Im Lukasevangelium 2, 41-51 setzt Jesus das erste Mal deutliche Grenzen, indem er, nachdem er als 12 jähriger im Tempel verloren gegangen ist, den Sorgen Maria und Josefs mit der Aussage begegnet: "Warum habt ihr mich gesucht? Ihr hättet doch wissen müssen, dass ich dort sein muss, wo es um Gottes Sache geht." Jesus wusste, wer er war und zeigte Maria und Josef ihre Grenzen. Er definierte klar seine Identität als geliebter Sohn Gottes. Ein weiteres Beispiel dieser Klarheit und Eindeutigkeit ist sein Auftreten im Tempel von Jerusalem kurz vor dem Passahfest. Er wirft, sogar handgreiflich werdend, die Geschäftemacher, Händler und Geldwechsler aus dem Tempel hinaus. Bedeutet Christsein ausschließlich "ja" zum Dienen zu sagen oder gibt es auch das Recht zum "Nein" als Abgrenzung? Noch ein Beispiel zu Jesus: Bei all seinen Heilungen fragt er die Menschen vorher: "Was wollt ihr von mir?" Das heißt, obwohl man annehmen kann, Jesus wüsste schon alles, fragt er die Menschen, die zu ihm kommen. Er respektiert sie als eigenständige Persönlichkeit und überschreitet nicht ihre Persönlichkeitsgrenze. In den ehrenamtlichen Tätigkeiten der katholischen Kirche gehört das Dienen genauso dazu, wie das Grenzen setzen. Daher ist es auch nicht egoistisch, in der Pfarrgemeinde Grenzen zu setzen oder sich von Mitchristen abzugrenzen.
Merkmale von Burnout
Merkmal der körperlichen Erschöpfung sind Energiemangel, chronische Ermüdung, Schwäche sowie Überdruss. Ausgebrannte Menschen haben erhöhte Krankheitshäufigkeit (lästige Erkältungen), häufige Kopfschmerzen, erhöhte Verspannungen der Muskulatur, Rückenschmerzen und ähnliches mehr. Die emotionale Erschöpfung zeigt sich in Niedergeschlagenheit, Ausweglosigkeit, Hilflosigkeit und Hoffnungslosigkeit. Charakteristisch für den Zustand geistiger Erschöpfung ist die negative Einstellung zum Selbst, zur Arbeit und zum Leben im allgemeinen. Geistig erschöpfte Menschen finden ihre Arbeit nicht mehr befriedigend und verlieren ihre Selbstachtung, sie fühlen sich minderwertig und ihren Aufgaben nicht gewachsen. Sie entwickeln aber auch eine negative Einstellung ihren Mitmenschen gegenüber.
- Hohes Engagement, Erwartungen und Ansprüche
- Überforderung durch nicht ausreichende Kompetenz
- Erfahrung von Misserfolg
- Schlechte Arbeitsbedingungen
- Veränderter Glaube und Weltanschauung
- Unklarer Auftrag
- Keine Erfolge
Umgang
Trotz aller Arbeit: Gott ruhte am siebten Tag. Alle haben den Auftrag, Ruhezeiten einzuhalten, sogenannte Sabbat-Zeiten. Trotzdem halten wir selten Pausen konsequent ein. Das eine noch schnell fertig machen, das andere noch nebenher bedenken...
Einige Menschen haben auch Angst vor Freizeit: Sie hätten dann den Kopf frei, um sich mit existenziellen Fragen zu beschäftigen. Andere sagen: Ich bin immer im Dienst! Wenn jemand etwas von mir braucht, dann bekommt er es auch. Dafür bin ich doch da...
Es geht um eine gesunde Balance von Nähe und Distanz, von sich einbringen und sich heraus halten. Das gelingt am besten, wenn solche täglichen Sabbat-Haltungen fix verankert sind:
- Berufskleidung
- Türen bewusst schließen
- Duschen nach erledigter Arbeit
- Pausen strikt einhalten und bewusst gestalten
- vor dem Einschlafen: Tag an Gott zurückgeben
- nach dem Aufwachen: worauf freue ich mich heute?
Konsequenzen/Heilung
- Schlafen, ausruhen
- Kraft sammeln
- Essen, trinken, Körper stärken
- Hilfe annehmen
- Aufstehen - sich aufraffen
- Wissen, dass ein weiter Weg bevor steht
- Distanz von der Arbeit
- Nein Sagen lernen
- Achten auf meine "Engel"
- Klaren Auftrag einfordern
- Weggefährten suchen
- Gott handeln lassen
Das System Kirche hat eine aktive Mitverantwortung für ihre ehrenamtlichen Mitarbeiter/innen zu übernehmen. Eine häufige Vorgangsweise ist, Ehrenamtlichen, die ihre Aufgaben gewissenhaft und kompetent ausführen, weitere Aufgaben zuzuteilen. Es kommt zu einem sich ständig wiederholendem Spiel: - Ich brauche dich! - Die angesprochene Person kann nicht nein sagen und die anstehenden Aufgaben werden gelöst. Wenn die ausgebrannten Menschen an ihre Leistungsgrenze gekommen sind und ihre Funktion niederlegen, finden sich die Nächsten, die nicht NEIN sagen können.
Versöhnte Christen – Versöhnung in der Welt.
Aus: Helmut Erharter, Rudolf Schwarzenberger (Hg.), Versöhnte Christen – Versöhnung in der Welt. Bußpastoral und Bußpraxis heute, Herder Wien–Freiburg–Basel 1986
Bei Caring Communities geht es um eine gesellschaftliche Atmosphäre, in der Menschen füreinander sorgsam sind: nicht nur im zwischenmenschlichen Bereich, sondern auch in der Gestaltung von Projekten oder in der Auseinandersetzung mit (existenziellen) Fragen.
Eine Inspiration für Caring Communities kommt von der Palliative Care-Bewegung, in der das soziale Umfeld der Betroffenen intensiv eingebunden wird.
Der Aufbau von Caring Communities beginnt mit einem Zuhören auf die Bedürfnisse der Menschen in unmittelbarer Umgebung. Jeder ist hier willkommen. Es geht darum, Menschen zu unterstützen, ihr Leben in den Griff zu bekommen, zu meistern, „gut“ zu leben, getragen von mitmenschlicher Achtsamkeit und Anteilnahme.
„Sorgen (caring) ist die Aktivität, die alles umfasst, was man tun kann, um ‚unsere Welt‘ zu erhalten, fortbestehen zu lassen, zu reparieren, sodass wir in ihr so gut wie möglich leben können.“ (J.C. Troto)
In der Folge will man Compassionate Communities aufbauen (siehe: www.phpci.info): Ein lebendiger Sozialraum pflegt eine Ethik der Nachbarschaft, des Zusammenhalts, des Vertrauens.
In Bezug auf convivalité heißt das: Wie wollen wir (über alle Unterschiede hinweg) miteinander leben?
In Bezug buen vivir heißt das: Wie gelingt ein gutes Leben auf Basis gegenseitiger Mitmenschlichkeit, sodass es allen gut geht?
Ein Schwerpunkt für Caring Communities ist oft das Thema Gesundheit, und zwar umfassend gesehen. Da geht es nicht nur um medizinische und pflegerische Fragen, sondern um das Leben insgesamt, ganzheitlich. Und damit betrifft dies auch Umweltfragen, Verkehrspolitik, Arbeitsbedingungen usw.
Zum Projekt Caring Communities an der Universität Graz: pastoraltheologie.uni-graz.at;
siehe auch: www.sorgenetz.at
Aus: Walter Krieger, Balthasar Sieberer (Hg.), Caritas –Dienst an Mensch und Gesellschaft, echter Verlag Würzburg1999
Die Vielfalt der modernen Gesellschaft, beeinflusst durch die Globalisierung und dem demografischen Wandel, prägt das Wirtschaftsleben. Wir können wirtschaftlich nur erfolgreich sein, wenn wir die vorhandene Vielfalt erkennen und nutzen.
Die Vielfalt der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit ihren unterschiedlichen Fähigkeiten und Talenten eröffnet Chancen für innovative und kreative Lösungen.
Die Umsetzung der "Charta der Vielfalt" in unserer Organisation hat zum Ziel, ein Arbeitsumfeld zu schaffen, das frei von Vorurteilen ist. Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen Wertschätzung erfahren - unabhängig von Geschlecht, Nationalität, ethnischer Herkunft, Religion oder Weltanschauung, Behinderung, Alter, sexueller Orientierung und Identität.
Im Rahmen dieser Charta werden wir
1. Eine Organisationskultur pflegen, die von gegenseitigem Respekt und Wertschätzung jeder und jedes Einzelnen geprägt ist. Wir schaffen die Voraussetzungen dafür, dass Vorgesetzte wie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter diese Werte erkennen, teilen und leben. Dabei kommt den Führungskräften bzw. Vorgesetzten eine besondere Verpflichtung zu.
2. Unsere Personalprozesse überprüfen und sicherstellen, dass diese den vielfältigen Fähigkeiten und Talenten aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie unserem Leistungsanspruch gerecht werden.
3. Die Vielfalt der Gesellschaft innerhalb und außerhalb der Organisation anerkennen, die darin liegenden Potenziale wertschätzen und für das Unternehmen oder die Institution gewinnbringend einsetzen.
4. Die Umsetzung der Charta zum Thema des internen und externen Dialogs machen.
5. Über unsere Aktivitäten und den Fortschritt bei der Förderung der Vielfalt und Wertschätzung jährlich öffentlich Auskunft geben.
6. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über Diversity informieren und sie bei der Umsetzung der Charta einbeziehen.
Wir sind überzeugt: Gelebte Vielfalt und Wertschätzung dieser Vielfalt hat eine positive Auswirkung auf unsere Gesellschaft.
(erstellt von führenden deutschen Wirtschaftsunternehmen)
Zehn Merkmale eines erwachsenen Christen
(nach Frank Powell; aus dem Niederländischen)
1. Das Auf und Ab im Leben hat nichts mit der Beziehung mit Gott zu tun.
So schön auch (geistliche) Hoch-Erlebnisse sind: darum geht es nicht.
2. Sei aufmerksam und sorgsam im Alltag.
Jede noch so kleine, nebensächliche Handlung hat Bedeutung – auch vor Gott.
3. Man kommt in Situationen, die man nicht in der Hand hat:
Mach dir keine Sorgen wegen aller möglichen Bedrohungsszenarien in dieser Zeit.
4. Es braucht feste Gewohnheiten, um die Beziehung mit Gott zu pflegen.
Nimm dir Zeit für Meditation, Gebet, Bibel, Stille, Anbetung, Fasten bzw. ein bewusstes Mitleben des Kirchenjahres …
5. Bewahre dir die Fähigkeit zum Staunen, zum Bewundern, zur Freude – auch über „Kleinigkeiten“: wie ein Kind.
Sei bereit, ein (kleines) Wagnis einzugehen.
6. Vergleiche dich nicht mit anderen.
Gott liebt dich, wie du bist.
7. Begegne Andersdenkenden und lerne von ihnen.
Atheisten, Muslime, Juden, Hindus, Buddhisten ... sind eine Botschaft.
8. Gib den Armen und Bedürftigen.
Setze dich nach deinen Möglichkeiten für Solidarität und Gerechtigkeit ein.
9. Christ ist man jederzeit.
Es gibt keinen Ein-Aus-Schalter für das Leben.
10. Entwickle einen gesunden Lebensrhythmus.
Sei kein Workaholic oder Perfektionist; mach Bewegung, raste, pflege ein Hobby.
Christlich leben - Gedankensplitter
Manfred Scheuer
Aus: Walter Krieger, Balthasar Sieberer (Hg.), Christlich leben in der Welt von heute, Wagner Verlag Linz 2015
Im säkularen, konsumorientierten und hektischen Betrieb von städtischen Zentren, Plätzen und Einkaufszonen will Kirche "Gottesberührung" punktuell ermöglichen. Der Mensch in seiner aktuellen Lebenssituation wird angenommen; unabhängig von welcher Religion, egal ob Tourist, Pendler, Innenstadtbewohner, jung oder alt, Obdachloser, Banker, Sinnsucher oder spontan Neugieriger. Citypastoral geht auf das Lebensgefühl der Menschen von heute ein.
Gemeindepastoral beginnt, um sich zu blicken
Rolf Zerfass
Aus: Walter Krieger, Balthasar Sieberer (Hg.), Caritas –Dienst an Mensch und Gesellschaft, echter Verlag Würzburg 1999
Dialog - Dienst in Wahrheit und Hoffnung
Johann Weber
Aus: Walter Krieger, Alois Schwarz (Hg.), Kirche in der Welt von heute. Ein kritisches Verhältnis, echter Würzburg 1996
Vorgeschichte
Im Anschluss an die Ereignisse in der katholischen Kirche in Österreich im Jahr 1995 (Kirchenvolksbegehren, Rücktritt von Kardinal Groer als Erzbischof von Wien) und die nachfolgenden Initiativen (Wallfahrt der Vielfalt, Einrichtung von Ombudsstellen in den meisten österreichischen Diözesen) fand 1997 bis 1998 der "Dialog für Österreich" statt. Er hatte zum Ziel, in einer gespannten Situation die Katholiken dieses Landes auf vielfältige Weise über wesentliche Themen des Glaubens und der Welt miteinander ins Gespräch kommen zu lassen. Dabei sollte Polarisierung überwunden und Wertschätzung für den jeweils anderen aufgebaut werden. Zugleich sollte dieser "Dialog" auch über die katholische Kirche hinaus mit anderen christlichen Kirchen, mit Experten, mit gesellschaftlichen Gruppierungen, mit politischen Parteien stattfinden.
Dieser "Dialog für Österreich" wurde also in einer Krisensituation der Kirche in Österreich geboren und war Instrument eines Krisenmanagements, das die Bischöfe in die Hand genommen haben. Sie ließen sich von zahlreichen kirchlichen Einrichtungen unterstützen, die ihrerseits - endlich - Themen und Aufgaben deutlich platzieren konnten. Der "Dialog für Österreich" war einerseits prozesshaft über einen längeren Zeitraum, andererseits als einmaliges Ereignis - eben mit einem Abschluss beim Delegiertentag - angelegt. Zunächst aber brachten sich die Experten ein.
Symposien und Parteiengespräche
In diesem Sinn fanden folgende Symposien im Rahmen des "Dialogs für Österreich" statt, die jeweils in Zusammenarbeit mit der Österreichischen Bischofskonferenz veranstaltet wurden:
- Dialog als Hoffnung der Zeit (Kontaktstelle für Weltreligionen)
- Medien zwischen Markt und Macht (Katholisches Zentrum für Massenkommunikation und Institut für Publizistik und Kommunikationswissenschaft der Universität Wien)
- Vertragen wir Fremde? (Katholische Aktion Österreich)
- Allianz für den Sonntag (Dr. Karl Kummer- Institut, Katholischer Familienverband Österreichs, Katholische Arbeitnehmer/innenbewegung Österreichs, Katholisches Familienwerk Österreichs, Katholische Männerbewegung der Erzdiözese Wien)
- Kirche zwischen Anspruch und Praxis (Katholische Aktion Österreich)
- Die Personenwürde im Kontext der modernen biotechnologischen Entwicklungen
(Arbeitsgemeinschaft Katholischer Verbände Österreichs)
- Armut oder soziale Gerechtigkeit (Katholische Sozialakademie Österreichs und Katholische Aktion Österreich)
- Frauen arbeitslos (Katholische Frauenbewegung Österreichs)
- Wege aus der Jugendarbeitslosigkeit (Katholische Arbeiter- und Arbeiterinnenjugend Österreichs)
- Arbeit und Einkommen fair-teilen (Katholische Arbeitnehmer/innenbewegung Österreichs)
- Gelebte Schöpfungsverantwortung (ARGE Schöpfungsverantwortung).
All diese Symposien sind durch Veröffentlichungen dokumentiert (Restexemplare erhältlich im Österreichischen Pastoralinstitut).
Fünf Studientage der Österreichischen Bischofskonferenz mit den politischen Parteien fanden 1997/1998 statt (FPÖ, Liberales Forum, SPÖ, ÖVP und Die Grünen) und sind dokumentiert in dem Band "Parteien und katholische Kirche im Gespräch" (Restexemplare sind im Generalsekretariat der Österreichischen Bischofskonferenz erhältlich).
Der Dialog für Österreich auf dem Weg
In den weiteren Gesprächsprozessen des "Dialogs für Österreich" sollten möglichst viele Interessierte einbezogen werden. Als Gesprächsimpuls wurde ein Grundtext zu Beginn des Jahres 1998 herausgegeben und zu Rückmeldungen dazu bzw. zum Einbringen weiterer gewünschter Themen eingeladen. Dabei waren also nicht mehr nur die Experten gefragt, sondern jede/r, der/die etwas mitteilen wollte. Hier wurde ein ungeheures Potenzial an Kreativität freigesetzt, zugleich auch an Erwartungen: was würde wohl aus all diesen Ideen, Wünschen, Meinungen, Argumenten, kompetenten Ratschlägen, querliegenden Einzelansichten usw. werden?
Aus den über 1000 Eingaben mit ca. 10000 Einzelvorschlägen erstellte ein Redaktionsteam im Sommer 1998 ein Arbeitsdokument, das den Beratungen des Delegiertentages (23. - 26. Oktober 1998) zugrundegelegt wurde. Diese Delegiertenversammlung bedeutete gleichzeitig - statutengemäß - den Abschluss des "Dialogs für Österreich".
Auf dem Delegiertentag befassten sich über 300 Teilnehmer/innen in 12 Gruppen mit den Themen:
1. Gott suchen - Gott erfahren
2. Die frohe Botschaft heute verkünden
3. Verantwortung aus Liebe
4. Anspruch und Scheitern. Schuld und Vergebung
5. Kirche - unsere gemeinsame Berufung
6. Berufung und Leben der Priester
7. Frauen in der Kirche
8. Kirche als Ortskirche und Weltkirche
9. Kultur des Lebens
10. Lebensraum Familie
11. Sozial wirtschaften
12. Solidarität kennt keine Grenzen
Zu den in den Arbeitsgruppen erstellten Vorschlägen wurden Voten abgegeben, die das Meinungsbild der Delegierten widerspiegelten.
(Eine Dokumentation dieses Delegiertentages wurde erstellt und ist in Restexemplaren im ÖPI erhältlich.)
Dieser Delegiertentag war ein großes Ereignis, bei dem viel Begeisterung, Engagement und eine neue Wertschätzung über alle Unterschiede von Positionen hinweg spürbar wurden. Und das war wahrscheinlich die intensivste Erfahrung, nochmals durch die alphabetische Sitzordnung verstärkt, als eben nicht nur die "Gleichgesinnten" nebeneinander saßen, sondern auch Personen mit extrem gegensätzlichen Meinungen und Kirchenbildern Nachbarn waren - und miteinander reden - und entdecken konnten: auch der/die andere meint es im Grunde gut mit dieser Kirche.
Der "Dialog für Österreich" wurde abgeschlossen, aber natürlich konnte das nicht das Ende eines Prozesses sein, der so viel angeregt hat.
Weiterarbeit
In der Folge gab es einige Bemühungen, dass "der Dialog weitergeht". Das deutlichste Zeichen setzte die Diözese Eisenstadt mit dem "Dialog für das Burgenland", der in gewisser Weise institutionalisiert wurde und zu dem jahrelang noch einzelne Veranstaltungen stattfanden.
Die Österreichische Bischofskonferenz selbst hat in ihrer Sitzung im November 1998 zehn Themen aufgegriffen und dazu Projektgruppen eingesetzt. Darüber hinaus stand es jeder Einrichtung frei, an dem einen oder anderen Thema des "Dialogs für Österreich" zu arbeiten. Bei diesen zehn Projektgruppen ging es um:
1. Wiederverheiratet-Geschiedene im Kontext von Ehe und Familie (Votum 4-1), Leitung: Bischof Klaus Küng
2. Geistliche Berufe in Österreich (Votum 6-1), Leitung: Bischof Alois Schwarz
3. Frauen in Kirche und Gesellschaft (Votum 7-2), Leitung: Bischof Egon Kapellari
4. Bischof sein heute (Votum 8-2), Leitung: Bischof Alois Kothgasser
5. Sonntag und Feiertag im Kontext der gesellschaftlichen Entwicklung (Votum 11-2), Leitung: Bischof Maximilian Aichern
6. Plattform Jugend (Votum 2-2), Leitung: Bischof Paul Iby
7. Neue Wege der Verkündigung (Votum 2-1), Leitung: Erzbischof Georg Eder
8. Pastorale Leitlinien für den Erwachsenenkatechumenat (Votum 2-3), Leitung: Bischof Helmut Krätzl
9. Ökumenisches Sozialwort (Votum 11-1 ), Leitung: Bischof Maximilian Aichern
10. Expertengruppe bezüglich "Ehebegriff", Leitung: Bischof Klaus Küng
Nicht eingerichtet wurde jedoch die angekündigte "Steuerungsgruppe", die die Weiterarbeit begleiten sollte - und die Erfolge des vorangegangenen kirchlichen Krisenmanagements wurden so verspielt. Irritationen tauchten auf. Tatsächlich haben die Bischöfe in diesem Dialogprozess zunächst eine führende Rolle übernommen, aus der sie sich nun aber (eben bis auf diese 12 Projektgruppen) zurückzogen - und damit wurde das Unternehmen im gesamten einigermaßen führerlos. Zudem erweckte eine mangelnde Öffentlichkeitsarbeit den Eindruck, dass nichts geschieht, dass alle Mühen umsonst gewesen wären, dass der Dialog gestorben bzw. abgewürgt worden sei usw. Weiters gewannen viele den Eindruck, dass die Weiterarbeit nicht der großen Linie des Delegiertentages folgte.
Schließlich wussten viele nicht einzuschätzen, welche Bedeutung "Briefe aus Rom" in diesem ganzen Prozess hatten. Denn tatsächlich gab es während des "Dialogs für Österreichs" mehrmals besorgte "Briefe aus Rom". Es gelang aber, das Anliegen des "Dialogs für Österreich" so zu kommunizieren, dass Missverständnisse ausgeräumt werden konnten und der "Dialog für Österreich" - wie von der vorbereitenden Arbeitsgruppe geplant - stattfand. Nach dem "Dialog für Österreich" erfolgte durch Kardinal Ratzinger eine weitere Reaktion auf die Voten des Delegiertentages, indem er eine "Klarstellung" verfasste, in der für das Lehramt problematische Punkte angesprochen und bewertet wurden. (Dies ist seinerzeit in Kathpress erschienen.)
Einige als zentral empfundene Themen während des "Dialogs für Österreich" wurden danach aber nicht weiter vorangetrieben, vor allem verschiedene Reformfragen, die auch die Weltkirche betreffen. Freilich wurden die österreichischen Vorschläge in Rom vorgebracht... Manche pastoralen Themen des "Dialogs für Österreich" sind ein Dauerauftrag.
Aber die bischöflichen Projektgruppen erzielten Ergebnisse:
1. Die Projektgruppe "Erwachsenenkatechumenat" erarbeitete den "Leitfaden Erwachsenenkatechumenat", der im Jahr 2000 herausgegeben wurde.
2. Die Projektgruppe "Neue Wege der Verkündigung" veröffentlichte ihren Text ebenfalls im Jahr 2000 im Österreichischen Pastoralinstitut.
3. Die Projektgruppe "Geistliche Berufe in Österreich" veröffentlichte ihren Text ebenfalls im Jahr 2000 im Österreichischen Pastoralinstitut; später wurde das Jahr 2002 von der Österreichischen Bischofskonferenz zum "Jahr der Berufung" ernannt; 2004 ist eine Arbeitsmappe "Berufung leben. Perspektiven entschiedener Nachfolge" im Österreichischen Pastoralinstitut erschienen.
4. Die Projektgruppe "Wiederverheiratet Geschiedene" erarbeitete einen Text, der anschließend vom bischöflichen Leiter der Projektgruppe mit den einschlägigen Stellen in Rom weiter beraten wurde. So entstand der Text "Orientierungshilfe für geschiedene und wiederverheiratete geschiedene Gläubige", der im Jahr 2002 herausgegeben wurde.
5. Die Projektgruppe "Frauen" erarbeitete Vorschläge zur Förderung von Frauen in der österreichischen Kirche, insbesondere durch die Einsetzung von Frauenkommissionen. Diese Projektgruppe beendete 1999 ohne weitere Veröffentlichung ihre Arbeit.
6. Die Projektgruppe "Bischofsernennungen" erarbeitete einen Text, der als Eingabe an die Bischofssynode über das Bischofsamt weitergeleitet wurde (2001).
7. Die Projektgruppe "Allianz für den Sonntag" vernetzte sich mit vielen Gruppierungen in Kirche und Gesellschaft zugunsten dieses Anliegens. Das Thema erhielt dadurch einen kräftigen Impuls; wird heute von vielen getragen und ist im Bewusstsein vieler Verantwortlicher in Kirche und Gesellschaft verankert.
8. Das Projekt "Sozialwort" wurde mit der Einladung an die verschiedenen christlichen Kirchen in Österreich, gemeinsam daran zu arbeiten, auf eine neue Basis gestellt. Erscheinungstermin dieses in dieser ökumenischen Breite weltweit einzigartig verfassten Dokumentes war der 1. Adventsonntag im Jahr 2003.
9. Aus der Projektgruppe "Jugend" entwickelte sich der "Dialog X", eine Plattform aller in der kirchlichen Jugendarbeit engagierten Gruppierungen. Daraus entstanden mehrere Projekte, wie eine österreichweit gemeinsame Gebetsnacht und das Projekt "72 Stunden ohne Kompromiss", das weitergeht.
10. Über den "Ehebegriff" gab es mehrere öffentliche Stellungnahmen von Bischöfen und kirchlichen Einrichtungen - besonders in Reaktion auf aktuelle gesellschaftliche Diskussionen.
Zusammenfassung
Es ist also doch einiges geschehen, wenngleich der Delegiertentag mehr und noch andere Erwartungen geweckt hatte. Manche Themen werden von einschlägigen Einrichtungen bearbeitet (Familie, Verkündigung, Frauenfrage in der Kirche). Das geschieht sehr unspektakulär und unterschiedlich "erfolgreich". Andere Themen erhalten von Veranstaltungen - z.B. Österreichische Pastoraltagung (u.a. zu den Themen Verkündigung, Bibelpastoral, Berufungspastoral, Gemeinde, Schöpfungsverantwortung) - Impulse. Schließlich gibt es auch neue Entwicklungen, (Einrichtung von "Seelsorgeräumen", Rollen von Laien), die aus heutiger Sicht manche Thematik etwas anders beleuchten.
Gelungen ist, dass Katholiken unterschiedlichster Positionen einander mit mehr Wertschätzung begegnen.
Zugleich ist man ein Stück weit aus dem innerkirchlichen Raum hinausgetreten und konnte sich in einigen aktuellen gesellschaftlichen Fragen als kompetenter Gesprächspartner profilieren. Und auch wenn das kirchliche Image in der Öffentlichkeit nicht "gut" ist: es ist im Vergleich zu 1998 um vieles besser geworden.
Der "Dialog für Österreich" hat Probleme nicht "gelöst", aber er hat vereinzelt manches doch vorangebracht. Er war ein guter, auch mutiger Schritt, weil sein Verlauf und seine Auswirkungen nicht vorhersehbar waren. Einiges ist in diesem gesamten Prozess besser, anderes weniger gut gelungen. Wie auch immer man es sehen will: dem "Dialog für Österreich" gebührt m.E. ein erinnerungswürdiger Platz in der jüngeren Geschichte der Katholischen Kirche in Österreich.
Walter Krieger
Zehn gute Gründe für die Ehe
Ein Denkanstoß der katholischen Kirche
1. Jeder Mensch sehnt sich nach Liebe.
Der Mensch sehnt sich danach, geliebt zu werden und Liebe zu schenken. Er ist auf ein "Du" hin geschaffen. Liebe braucht keine Begründung. Sie ist mehr als knisternde Erotik oder belastende Verpflichtung. Liebe ist das umfassende und bedingungslose Ja zu einem anderen Menschen - um seiner selbst willen, ohne Hintergedanken und Vorbehalte.
2. Wahre Liebe will Dauer.
Liebe erschöpft sich nicht im Zauber des Augenblicks. Sie setzt keine zetiliche Grenze und hat kein Verfallsdatum. Wer liebt, sagt: "Du kannst dich immer auf mich verlassen!" Diese Verlässlichkeit vertreibt die Angst, dem anderen nicht mehr zu genügen, nicht mehr attraktiv genug zu sein oder auf verlorenem Posten zu stehen.
3. Liebe sucht das gegenseitige Versprechen.
Weil Liebe Dauer will, sucht sie das wechselseitige Versprechen. Die Liebenden möchten hören, dass ihr Ja zueinenader auch morgen noch gilt - in guten und in bösen Tagen, in Gesundheit und Krankheit - bis in den Tod. Dieses wechselseitige Versprechen gilt auf der Höhe der Ekstase, in den Niederungen des Alltags und in den Abgründen von Schmerz und Leid. Bei der Eheschließung vertrauen sich die Brautleute einander an und legen laut und deutlich vor Gott und den Menschen ein wechselseitiges, unwiderrufliches Treueversprechen ab: "Ich werde immer bei dir sein!"
4. Ehe ist ein Versprechen mit Leib und Seele.
Das Eheversprechen bezieht Eros und Sexualität mit ein. Die Liebe zwischen Mann und Frau sucht das erotische Begehren genauso wie die liebevoll-fürsorgliche Zuneigung. Dieses Spannungsfeld aus Lust und Hingabe, Freundschaft und Herzensnähe eröffnet den ureigenen Raum für die Zeugung des Lebens.
5. Ehe braucht Schutz und verdient Anerkennung.
Die Ehe gibt der Liebe der Eheleute einen intimen und schützenden Rahmen, der von der Gesellschaft, dem Staat und der Kirche zu Recht besonders geachtet wird. Von der Familie geht die Weiterentwicklung der Gesellschaft aus. Sie verdient deren Anerkennung, Förderung und besonderen Schutz.
6. Ehe ist ein Wagnis, das Mut und Engagement erfordert.
Die Ehe ist ein Lebensprojekt mit Herausforderungen und Risiken. Sie braucht den vollen Einsatz. Es geht nicht um ein auf Dauer gestelltes Verliebtsein, um die ewigen "Schmetterlinge im Bauch". Die Eheleute lassen sich in jeder Lage und zu allen Zeiten immer wieder neu auf das Abenteuer ein, sich gegenseitig zu entdecken und so einander die Treue zu halten.
7. Liebe teilt sich mit.
Liebe möchte sich weiterschenken. So entfaltet sich die Ehe in der Liebe zu den Kindern und den Familienangehörigen. Als Bund der Treue schenkt die Ehe Verlässlichkeit und Geborgenheit: In diesem Raum können Kinder Vertrauen in das Leben fassen und die nötigen emotionalen, geistigen und religiösen Kompetenzen für ein selbstständiges Leben erlernen. Wenn einem Ehepaar Kinder versagt bleiben, ist das ein großer Schmerz, der Einfühlsamkeit fordert.
8. Ehe ist in der katholischen Kirche ein Sakrament.
In der Liebe der Eheleute ist die Liebe Gottes anwesend und erfahrbar. Sie stehen unter der Zusage Christi: "Ich gehe mit euch. Meine Liebe begleitet euch. Ihr könnt meine Liebe bezeugen und weiterschenken." Für die katholische Kirche ist die Liebe von Mann und Frau in der Ehe ein heiliges Zeichen. In ihr ist die Liebe Christi zu seiner Kirche wirksam und fordert die Treue der Menschen ein.
Das mutet etwas zu und entlastet zugleich.
Ehepaare können viel für die Liebe tun. Sie können sich dafür einsetzen, dass das Feuer ihrer Liebe lebendig bleibt, aber die Eheleute müssen und können sich nicht grenzenlos glücklich machen. Sie sind und bleiben getragen von der Güte Gottes.
9. Christliche Ehe ist ein Stück gelebte Kirche.
Wenn Katholiken die Ehe als Sakrament bezeichnen, bringen sie damit auch zum Ausdruck, dass die Eheleute ihre Liebe nicht nur für sich behalten. Die Liebe der Eheleute hat ihre eigene Ausstrahlung. Sie wird spürbar in der gemeinsamen Erziehung der Kinder, in der Weitergabe des Glaubens, im Engagement in Verwandtschaft, Nachbarschaft, Gesellschaft und Kirche. So ist die christliche Ehe ein sichtbares Zeichen für die Liebe Gottes und deren wirksame Kraft: ein Stück gelebte Kirche. Darum spricht die Kirche im Kleinen auch von einer "Hauskirche".
10. Gott ist auch bei denen, die Fehler machen.
Die Ehe ist ein Zeichen für die Treue Gottes. Aber zugleich ist und bleibt die Ehe eine irdische und menschliche Angelegenheit, und die Eheleute bleiben unvollkommen und fehlbar. Sie brauchen den Willen zur Selbstkritik, zur Umkehr und zur Vergebung. Sie müssen einander Raum geben, damit sie sich verändern und entfalten können - miteinander und nicht nebeneinander. Sonst werden sie eines Tages feststellen, dass sie sich auseinandergelebt haben.
Auf Gott können die Ehepartner in allen Höhen und Tiefen vertrauen. Er hilft zur Umkehr, zur Vergebung, zum Neuanfang. Seine Liebe bleibt - selbst dann, wenn die Partner ihr Versprechen nicht halten. Seine Liebe geht auch in ihrem Scheitern nicht verloren. Gott ist treu.
Quelle: Folder der Deutschen Bischofskonferenz
1. Schau nicht zu deinem Partner empor und schau nicht auf ihn herab. Geh auf die Liebe als ein Gleichwertiger ein.
2. Erwarte keine unmögliche Vollkommenheit von anderen, zu der du selbst unfähig bist; liebe eine Frau, nicht einen Engel; einen Mann, nicht ein Phantom oder Ideal.
3. Betrachtet euch nicht als einen oder zwei, sondern als Zweisamkeit.
4. In der Liebe nimm nicht, ohne zu geben und gib nicht, ohne zu nehmen.
5. Such dir keinen Partner aus, der dich nicht physisch anzieht, aber mache dein Schicksal nicht abhängig von jemand, der dich nur auf der körperlichen Ebene anzieht.
6. Kooperiere mit deinem Partner auf jeder Ebene – sozial, ökonomisch, intellektuell, geistig, emotional und biologisch.
7. Verliere dich nicht auf Nebengeleise und Sackgassen: Es gibt immer einen Ausweg aus emotionalen Labyrinthen – alle Menschen sind ursprünglich normal veranlagt.
8. Sei weder Sklave der Konvention noch deiner Eigenheiten: Vergiss nicht, dass du nicht nur ein Individuum bist, sondern eine Einheit deiner sozialen Gruppe und der gesamten Menschheit.
(aus: Ansbacher H.L., Alfred Adlers Sexualtheorie, Frankfurt 1989)