Vom Christentum gehen entscheidende Impulse für die Politik aus
Vom Christentum gingen entscheidende Impulse für gutes und gerechtes Leben aus, auf welche die Politik nicht verzichten dürfe, sagte der an der deutschen Uni Gießen lehrende Professor für Systematische Theologie im Interview der Wiener Kirchenzeitung "Der Sonntag" (aktuelle Ausgabe). Umgekehrt sei es auch Aufgabe der Kirche, "auf der Seite der Demokratie zu stehen, ihre Strukturen und Kulturen zu verteidigen und sie zu beleben".
Kreutzer warb im Interview dafür, dass sich die christlichen Kirchen als Teil der Zivilgesellschaft sehen. In letzterer werde - etwa in NGOs, Vereinen oder kirchlichen Gruppen - Meinungsbildung betrieben, es würden dort politische Interessen formuliert und auch Protest geäußert. "Die Zivilgesellschaft ist somit der Ort von Religionsgemeinschaften, wenn sie sich in das politische Geschehen einmischen - was sie sollten", so der Experte. Dass sich die Religionsgemeinschaften zivilgesellschaftlich zu gutem und gerechtem Leben einbringen, komme der Politik zugute.
Das "gute und gerechte Leben" könnten Kirchen laut dem Theologen auf verschiedene Weise fördern: Zunächst, da das Christentum wie alle der Aufklärung zugänglichen Religionen ein "Speicher von Vorstellungen von gutem Leben und gerechten Strukturen" sei und da religiöse Menschen Ideen für gutes Leben und Vorstellungen von Gemeinwohl in den gesellschaftlichen Diskurs einspeisten. Christen setzten sich dabei aus ihrer humanistischen Ethik heraus für andere und für eine lebenswerte Gesellschaft ein. Ebenso spiele hier auch die Symbolkompetenz der Kirchen mit ihren Riten, Teilnahme an Kundgebungen bis hin zu friedlichen Protesten eine Rolle.
Aus dem christlichen Glauben heraus teile die Kirche die Grundwerte der Demokratie, die Ermöglichung menschlicher Freiheit und die gleiche Würde aller Menschen, unterstrich Kreutzer. Für zentral hält er es auch, dass sich Kirchen "für eine sozial ausgeglichene und integrativ ausgerichtete Gesellschaft einsetzen". Nicht zuletzt seien die "Gesellschaftsstrukturen, die soziale Absicherung und ein menschenwürdiges Miteinbezogen-Sein gewährleisten", der "Nährboden für eine funktionierende Demokratie".
Ansgar Kreutzer wird bei der nächstwöchigen Pastoraltagung am Freitag, 10. Jänner, über das Thema "Kirche in der Welt von heute. Zur politisch-öffentlichen Präsenz des Christentums" einen Vortrag halten. Die dreitägige Fachveranstaltung mit rund 400 Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus dem gesamten Deutschen Sprachraum stellt die Frage nach dem kirchlichen Beitrag zu einem "guten Miteinander" in Österreich, als Antwort auf eine zunehmend polarisierte Gesellschaft. Das Programm wird von Vorträgen, Diskussionen, Workshops und speziellen Vernetzungsformaten bestimmt. Unter den Referentinnen und Referenten sind auch die Philosophin und Publizistin Lisz Hirn und die Digitalisierungsexpertin Ingrid Brodnig. Veranstaltet wird die Tagung gemeinsam von der Österreichischen Pastoralkommission und dem Österreichischen Pastoralinstitut.
Kathpress, 3.1.2025