Prinzipien und Handlungsfelder
Prinzipien
Citypastoral steht für eine gastfreundliche Kirche
Die Angebote der Citypastoral sind grundsätzlich offen und niederschwellig gestaltet. Auch Menschen, denen die Kirche mit ihrer Sprache, ihren Gottesdiensten oder ihren Lebensformen fremd geworden ist, können über die Citypastoral leichter einen Anknüpfungspunkt oder einen Zugang zum Glauben finden. Citypastoral sieht in den Menschen Gäste, denen man Zeit und Raum für Begegnung schenkt, die ohne Verpflichtung wieder gehen können. Sie heißt alle willkommen, gleich welche Einstellung zum Leben sie haben, und verlangt von ihnen weder Vorkenntnisse noch Erfahrung mit religiösem Leben. In diesem Sinn ist die Citypastoral ein „Empfangsraum der Kirche“ (Kardinal Lehmann). Das passende Bild ist die offene Tür: Sie lädt ein, einzutreten, zu verweilen, steht aber auch für spontane und kurzfristige Begegnungen. Gästen, die einen engeren Anschluss suchen und der kirchlichen Gemeinschaft (wieder) beitreten wollen, eröffnet die Citypastoral hierzu die entsprechenden Wege (Erwachsenenkatechumenat, Wiedereintrittsstelle) und vermittelt diese an Seelsorgeeinheiten und Gemeinschaften.
Citypastoral steht für eine Kirche, die auf die Menschen zugeht
Citypastoral sucht aktiv die Begegnung mit den Menschen und wartet nicht, bis diese auf sie zukommen. Sie ist somit Ausdruck einer „Geh-hin-Kirche“. Die Einrichtungen der Citypastoral sind daher dort verortet, wo Menschen sich aufhalten, mitten im Getriebe von Fußgängerzonen, Einkaufsstraßen oder Passagen, da, wo man die Präsenz von Kirche nicht gleich erwartet. Sie misch sich mit ihren Angeboten in das Leben der Stadt ein und ist dort präsent, so sich Menschen versammeln: auf Wochen-, Jahr- und Weihnachtsmärkten, bei Theater- und Kunstfestivals... Sie ist das Gesicht einer Kirche, die sich nicht abkapselt, sondern am Leben der Menschen Interesse hat.
Citypastoral steht für eine Kirche, die Milieugrenzen überwindet
Die Sinusstudie hat gezeigt, die Kirche nur noch in wenigen Milieus der Gesellschaft beheimatet ist und die Gemeinden in den Seelsorgeeinheiten mehr und mehr durch eine Milieuverengung geprägt sind. Die Citypastoral setzt bewusst Zeichen einer Kirche, die Milieugrenzen überwindet. Sie wendet sich gerade nicht an die typischen Kirchgänger, sondern sucht Kontakt mit Menschen, denen die Kirche aufgrund ihrer Lebenswelt fremd ist. Dies erfordert, Begegnungen mit den Menschen so zu gestalten, dass ich niemand ausgeschlossen fühlt. Es erfordert zugleich aber auch sehr viel Kreativität in der Auswahl der Angebote und den Mut zum Experiment.
Citypastoral steht für eine Kirche, die den Dialog sucht
Citypastoral betreiben, heißt immer auch am Puls der Zeit zu sein und die Themen der Gesellschaft wahrzunehmen. Die Fragen und Sorgen der Menschen sind ebenso wie deren Freude und Hoffnung Themen, die die Kirche hören muss und auf die sie eine Antwort geben kann. Die Citypastoral tritt durch ihr Angebot in einen offenen Dialog mit den Menschen ein, zeigt Interesse an deren Leben, gibt Impulse und lässt sich zudem selbst hinterfragen. Dies erfordert von der einzelnen Mitarbeiterin/vom einzelnen Mitarbeiter einen wachen und voreingenommenen Blick auf die Zeichen der Zeit, die Fähigkeit, diese aus dem Evangelium zu deuten, den Mut, kirchliche Positionen zur Sprache zu bringen, ebenso aber auch die Bereitschaft, die Meinung anderer zu hören und gelten zu lassen. Die Mitarbeit in der Citypastoral setzt daher Sprach- und Auskunftsfähigkeit voraus. Die Citypastoral kann Möglichkeiten zur politischen, religiösen oder ethischen Meinungsbildung bieten, indem sie Vorträge oder Diskussionen veranstaltet und dazu offen einlädt.
Citypastoral steht für eine Kirche, die Zeugnis gibt
Träger der Sendung der Kirche sind Menschen, die sich zum Glauben bekennen. Citypastoral lebt gerade vom begeisterten Einsatz von hauptberuflichen und ehrenamtlichen Frauen und Männern, die der Kirche ein Gesicht geben. Sie bringen die Bereitschaft mit, für den Glauben in Wort und Tat Zeugnis zu geben und sich zur Gemeinschaft der Kirche zu bekennen. Dies setzt eine „spürbar christlich-kirchliche Identität“ voraus und erfordert, aus der Erfahrung mit dem eigenen Leben aus dem Glauben Kraft und Wegweisung zu finden. Die Verantwortlichen achten darauf, dass in den Teams verschiedene Milieus und Altersgruppen ausreichend vertreten sind, um eine Engführung in den Angeboten zu vermeiden.
Citypastoral steht für eine Kirche, die vernetzt und kooperativ ist
Citypastoral würde sich überfordern, sähe sie sich in großer Eigenständigkeit. Sie kann ihre Aufgabe nur erfüllen, wenn sie mit anderen kooperiert und sich in ein weit gespanntes Netz kirchlicher und öffentlicher Einrichtungen einbringen lässt.
Dabei kommt der Beziehung von Citypastoral mit der Pastoral in den Seelsorgeeinheiten eine besondere Bedeutung zu. Beide stehen nicht in Konkurrenz zueinander, sondern ergänzen sich komplementär. Die Citypastoral hat eine eigene Zugangsweise zu den Menschen, setzt daher andere Schwerpunkte und gestaltet die eigene Arbeit anders. Sie bietet ein Experimentierfeld für eine Pastoral in der Welt von heute, das Rückschlüsse für die Arbeit in den Seelsorgeeinheiten ermöglicht. Zugleich erfüllt sie gegenüber den Seelsorgeeinheiten auch eine subsidiäre Funktion. Sie ist wegen ihrer Niederschwelligkeit, ihrer Anonymität und auch ihrer Kurzzeitigkeit attraktiv für Menschen, die keine Heimat in den Pfarrgemeinden finden oder gar nicht suchen. Daher kann sie mit Menschen in Begegnung treten, die die Seelsorgeeinheiten nicht erreichen. Zugleich kann sie Menschen, die sich erst vorsichtig fragend an die Kirche annähern wollen, auf passende Gemeinden verweisen oder ihnen eine Brücke zu anderen kirchlichen Einrichtungen und Gruppen bauen.
Ebenso bedeutsam sind Kooperationen mit Kulturschaffenden, Tourismusbüros und der Presse, um die unterschiedlichen Menschen in der Stadt zu erreichen.
Die Arbeit in der Citypastoral wird wesentlich von Ehrenamtlichen getragen. Die Zusammenarbeit zwischen Hauptamtlichen und Ehrenamtlichen vollzieht sich im Rahmen dessen, was die Erzdiözese als „kooperative Pastoral“ beschreibt und in den Pastoralen Leitlinien verbindlich festgelegt hat.
Citypastoral steht für eine Kirche, die diakonisch ist
Durch ihre Begegnungen mit den Menschen werden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Citypastoral mit seelischen, sozialen, gesundheitlichen und finanziellen Notlagen unterschiedlichster Art konfrontiert und um konkrete Hilfe angefragt. Da sie die Hilfe nur bedingt anbieten können, vernetzt sich die Citypastoral mit Angeboten kirchlicher und staatlicher Beratungs- und Hilfestellen. Die Citypastoral verweist auf deren Angebote, integriert diese nach Möglichkeit in die eigene Arbeit und arbeitet partnerschaftlich und arbeitsteilig mit diesen zusammen.
Citypastoral steht für eine Kirche, die ökumenisch aufgeschlossen ist
Die Angebote der Citypastoral stehen grundsätzlich allen interessierten Menschen offen, unabhängig von ihrer konfessionellen, religiösen oder weltanschaulichen Ausrichtung. Gibt es in einer Stadt Angebote der Citypastoral der Evangelischen Landeskirche in Baden oder einer anderen Kirche oder kirchlichen Gemeinschaft der ACK, stimmt die Citypastoral der Erzdiözese ihre Angebote mit den anderen Stellen ab und kooperiert mit diesen, wo es möglich und sinnvoll ist. Darüber hinaus kann es im Einzelfall naheliegen, die Citypastoral in gemeinschaftlicher Trägerschaft wahrzunehmen.
Handlungsfelder
Kontakt, Information und Begegnung
Citypastoral ist zunächst ein personelles Angebot der Kirche. Durch die Menschen, die sich in der Citypastoral engagieren, wird Kirche erlebbar. Sie stehen anderen für Gespräche zur Verfügung und schenken ihnen Aufmerksamkeit und Zeit. Alle sind willkommen und ihnen wird mit hoher Achtsamkeit begegnet. Bei vielen Gesprächen geht es vor allem um Information, nicht selten geschieht dabei auch konkrete Seelsorge.
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Citypastoral stehen Menschen in konkreten Lebens- und Krisensituationen als Gesprächspartner zur Verfügung. Es ist jedoch nicht deren Aufgabe, in langfristige Seelsorge- oder Beratungsprozesse einzusteigen. Sie leisten, wo dies notwendig ist, vielmehr eine erste Hilfe und verweisen auf bestehende Beratungsstellen anderer kirchlicher oder nicht kirchlicher Träger oder auf Selbsthilfegruppen. Wenn möglich, stellen sie auch den Kontakt mit diesen her. Dabei kommt der Citypastoral die Vernetzung mit diesen Einrichtungen zugute.
Gesellschaft, Kultur und Bildung
Citypastoral baut eine Brücke zwischen der Kirche und der Stadtgesellschaft. Sie bringt sich mit eigenen Beiträgen in die Gesellschaft ein bzw. sucht Kooperationen mit anderen, die das Leben in der Stadt tragen und prägen.
Citypastoral sucht den Dialog mit der (zeitgenössischen) Kultur und Kunst. Sie veranstaltet Konzerte, lädt zu kurzen musikalischen Impulsen ein („Musik zur Marktzeit“) und schafft eine Verbindung zwischen Kunst, Literatur, Musik und Liturgie. Sie bietet Kirchenführungen an und positioniert Kunstausstellungen in Kirchen oder anderen kirchlichen Gebäuden, die die Menschen sonst weniger aufsuchen. Autorenlesungen oder Buchvorstellungen machen neugierig, sich mit moderner Literatur aus christlicher Sicht auseinander zu setzen.
Vorträge und Diskussionen zu Glaube und Gesellschaft laden ein, Positionen herauszufinden und eigene Position zu beziehen. Gespräche zu Tagesthemen zeigen, dass sich die Kirche mit aktuellen Fragen der Gesellschaft beschäftigt und dazu Antworten geben kann. Veranstaltungen an neuen Orten oder in neuen Formen machen neugierig und vermitteln das Bild einer Kirche, die neue Wege geht.
Citypastoral nimmt auch die Lebens- und Arbeitswelt der Menschen (nicht nur in der Stadt) wahr, reflektiert diese und arbeitet in Kooperation mit anderen Stellen an der Verwirklichung sozialer und gerechter Lebensbedingungen mit. Damit hilft sie der Gesellschaft, neue Formen der Solidarität zu entwickeln und übernimmt zugleich einen prophetischen Auftrag.
Spiritualität und Liturgie
Citypastoral schafft Möglichkeiten und Räume der niederschwelligen Begegnung mit dem spirituellen Schatz der Kirche. Sie hilft den Menschen in ihrer Sehnsucht und Suche nach Gott. Dabei kann sie zum einen auf bewährte Formen und eine Vielfalt liturgischer Feiern zurückgreifen, wagt jedoch auch neue und ungewohnte Formen. Die in den Seelsorgeeinheiten noch nicht vorkommen.
Darüber hinaus erschließt Citypastoral den Menschen kirchliche Räume und vermittelt damit den christlichen Glauben. Kirchenführungen oder kirchenpädagogische Angebote für Kinder und Jugendliche zeigen vielen, dass Kirchen keine Museen sind. Dies verstärkt auch eine „Nacht der offenen Kirchen“.
Citypastoral hilft den Kirchen, religiöse Erfahrungen zu machen und diese ins Wort zu bringen. Dem dienen u.a. Glaubenskurse für Erwachsene, Exerzitien im Alltag, Meditationen oder Impulse aus Filmen, Kunst und Literatur.
(aus: Citypastoral - Brücken bauen zwischen Kirche und Stadtgesellschaft. Konzeption der Citypastoral in der Erzdiözese Freiburg, hg. von der Erzdiözese Freiburg o.J.)